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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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zerlumptes, malvenfarbenes Kleid, mottenzerfressen und fadenscheinig vom langen Tragen. Sie war kaum mehr als ein Haufen Knochen, die in durchsichtige weiße Haut so dünn wie Kohlepapier gehüllt waren.
    An ihrem Kopf war kein Haar zu sehen, mit Ausnahme von ein paar borstigen Wimpern. Die Haut auf ihrem Schädel war zerrissen, an manchen Stellen fehlte sie ganz – dort schimmerte der Knochen durch. Sie hatte einen dicken Augapfel, dessen Iris im blauen Licht farblos erschien. Ihre Ohren, lange, spitze Dreiecke, waren übersät mit offenen Wunden. Der Mund sah irgendwie kaputt aus oder zumindest falsch. Er war voller Splitter, milchiger, spitzer Knochenstücke. Caxton begriff nur langsam, dass es sich dabei um Zähne handelte. Die Frau hatte Hunderte davon, und sie waren gar nicht kaputt. Sie waren einfach nur scharf. Davon hatte sie in Arkeleys Bericht gelesen. Dies hier war eine der Kreaturen, die er im Laderaum des Bootes angezündet hatte – eine Vampirin; eine alte, ausgehungerte Vampirin. In ihrem ganzen Leben hatte Caxton noch nie etwas so Schreckliches gesehen, da kam nicht einmal der fast gesichtslose Halbtote mit, der in der vergangenen Nacht durch ihr Fenster geblickt hatte.
    »Hallo, Deputy. Sie kommen genau richtig – es ist gleich Fütterungszeit«, sagte der Mann im Labormantel. Er schob den Rollstuhl näher an sie heran, als Caxton lieb war. Die Vampirin rief in ihr kein Gefühl hervor, keinen Hauch von Menschlichkeit, bloß Kälte. Es war, als stünde man an einem heißen Sommertag neben der Kühltheke eines Supermarkts. Die Kälte war deutlich spürbar und real. Und völlig unnatürlich.
    »Special Deputy«, verbesserte Arkeley.
    »Fütterungszeit?«, fragte Caxton entsetzt.
    Das Auge der Vampirin funkelte sichtbar.

8.
    »Dieses blaue Licht hier …«, sagte Caxton. »Das muss eine, was weiß ich, irgendeine Wellenlänge sein, die Vampire nicht wahrnehmen können, richtig? Damit sie uns nicht sehen kann?«
    »Tatsächlich kann sie Sie sehr gut sehen. Sie würde Sie auch in totaler Dunkelheit sehen. Das hat sie mir gesagt«, erklärte der Mann. »Sie sieht Ihre Lebenskraft leuchten wie eine Lampe. Das blaue Licht schadet ihrer Haut weniger als das sanfteste Fluoreszieren.« Er streckte die Hand aus. »Ich bin Dr. Hazlitt. Ich glaube nicht, dass wir uns schon vorgestellt wurden.«
    Caxton riss den Blick von dem rollenden Augapfel der Vampirin los, um den Mann zu mustern. Sie griff nach seiner Hand. Dann hielt sie inne. Aus der weichen Haut seiner Armbeuge ragte ein Plastikröhrchen, an dessen Ende getrocknetes Blut klebte. Im blauen Licht sah es völlig schwarz aus.
    »Ein Shunt«, erklärte er. »Das ist einfacher, als jedes Mal eine Spritze zu setzen.«
    Arkeley ging in die Hocke, um der Vampirin ins Gesicht sehen zu können. Die fleischlosen Hände auf ihrem Schoß zuckten zwanghaft, als wollte sie von ihm weg, als jagte er ihr schreckliche Angst ein. Vermutlich gab es dafür auch gute Gründe – der Fed hatte sie einst angezündet und tot zurückgelassen. »Hazlitt füttert sie mit seinem eigenen Blut, aus reiner Herzensgüte«, verkündete Arkeley. »Sozusagen.«
    »Ich weiß, das muss Ihnen widerlich vorkommen«, sagte der Arzt zu Caxton. »Wir haben eine Reihe Alternativen ausprobiert – fraktioniertes Blutplasma und Thrombozyten-Konzentrate aus der Blutbank, Tierblut, eine Chemikalie, die in der Army als Blutersatz benutzt wird. Nichts hat funktioniert. Es muss menschlich sein, es muss warm sein, und es muss frisch sein. Es macht mir nichts aus, etwas davon abzugeben.« Er ging zu einer Arbeitsbank, die ein paar Schritte entfernt stand, und holte ein Pyrex-Becherglas aus einem Schrank. Ein Gummischlauch wurde in den Shunt gesteckt, das andere Ende ins Becherglas.
    Caxton schaute weg.
    »Warum?«, fragte sie Arkeley. »Warum füttern Sie es überhaupt?« Ihr Berufsinstinkt, Fragen zu stellen, bis sie genau verstanden hatte, was vorging, verlangte nach Antworten.
    »Sie ist kein ›Es‹! Ihr Name« – Hazlitt unterbrach sich, um kurz aufzustöhnen, doch es klang nach einem erträglichen Schmerz – »ist Malvern. Justinia Malvern. Und sie war einst ein menschliches Wesen. Das mag zwar dreihundert Jahre her sein, aber Sie sollten etwas Respekt zeigen.«
    Caxton schüttelte unverständig den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Sie sind beinahe getötet worden bei dem Versuch, sie zu vernichten. Jetzt beschützen Sie sie hier und geben ihr sogar Blut?«
    »Es war nicht meine

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