Der letzte Vampir
ihrem Auge blitzte Wut auf.
Einen langen Augenblick kehrte Schweigen ein. Hazlitt öffnete den Mund, schloss ihn aber schnell wieder, und Caxton stellte fest, dass er schreckliche Angst vor Arkeley haben musste. Er hatte den Marshal bei seinem Eintreffen erkannt, sogar mit einer gewissen Vertrautheit mit ihm gesprochen. Wie oft in den vergangenen zwanzig Jahren war Arkeley wohl in diesen kleinen Raum gekommen? Wie oft hatte er sich das Becherglas geschnappt?
Aber nein. Für alle außer ihr musste diese Szene völlig vertraut sein. Doch der Haltung der beiden Männer entnahm Caxton deutlich, dass Arkeley das Ritual noch nie zuvor gestört hatte.
Es war Arkeley, der das Schweigen brach. Er hielt das Becherglas mit beiden Händen umfasst und sah der Vampirin direkt ins Auge. »Wir haben Berichte über die Aktivitäten von Halbtoten«, sagte er leise und irgendwie sanft. »Gesichtslose. Die Frau dort drüben hat einen gesehen. Heute Morgen habe ich seinen Arm verbrannt. Es gibt nur eine Möglichkeit, einen Halbtoten zu erschaffen: Dazu braucht man einen jungen, aktiven Vampir. Einen neuen Vampir. Waren Sie unartig, Miss Malvern? Haben Sie etwas Dummes getan?«
Der Kopf der Vampirin nickte auf ihrem dünnen Hals erst nach links und dann nach rechts.
»Es fällt mir schwer, Ihnen zu glauben«, sagte Arkeley. »Wer außer Ihnen kann noch Vampire erschaffen? Geben Sie mir einen Namen. Geben Sie mir eine letzte bekannte Adresse, und ich lasse Sie in Ruhe. Oder noch besser: Verraten Sie mir, wie Sie es gemacht haben. Verraten Sie mir, wie Sie dieses Monster zur Welt gebracht haben.«
Die Vampirin erwiderte nichts, ließ nur ihr Auge nach unten rollen, bis es auf das Blut im Becherglas gerichtet war.
»Benehmen Sie sich nicht wie ein Bastard«, zischte Hazlitt. »Jedenfalls nicht mehr als gewöhnlich. Sie wissen genau, wie sehr sie dieses Blut braucht. Sehen Sie doch – es fängt schon an zu gerinnen.«
»Also gut.« Arkeley drückte das Glas in die ausgestreckte Hand der Vampirin. Sie packte es mit einem zitterigen Todesgriff, der ihre Knöchel noch weißer hervortreten ließ. »Genießen Sie es, solange Sie noch können.«
»Was ist eigentlich Ihr Problem?« Hazlitt kreischte die Worte fast.
Arkeley richtete sich auf und klopfte wieder gegen die Manteltasche. Ein winziger, knisternder Laut ertönte – darin befand sich ein Stück Papier. »Ich sagte, ohne Gerichtsbeschluss könnten wir ihre Blutzufuhr nicht einstellen. Nun, die neuerliche Vampiraktivität hat unter einigen sehr wichtigen Hintern ein Feuer entzündet.« Er zog ein Papier mit einem notariellen Siegel hervor. »Hiermit erhalten Sie die Anordnung, auf der Stelle und unverzüglich die Fütterung dieser Vampirin einzustellen.« Er grinste breit. »Manchmal ist es hilfreich, einer von denen zu sein, die das Gerichtsgebäude bewachen.«
Die Vampirin hielt mit dem Becherglas auf halbem Weg zum Mund inne. Ihr Auge richtete sich auf Arkeley.
»Wenn Sie ein Mensch wären, würden Sie versuchen, etwas länger davon zu zehren«, sagte der Fed zu ihr. »Ihnen wäre klar, dass Sie das zum letzten Mal schmecken würden, und Sie würden versuchen, es zu genießen. Aber Sie sind kein Mensch, und Sie können nicht widerstehen, oder?«
Der Mund der Vampirin verzog zu sich zu einem höhnischen Grinsen. Dann züngelte eine lange, graue Zunge zwischen all diesen Zähnen hervor und fing an, das Blut aus dem Becherglas gierig aufzuschlabbern, lange, schwarze Streifen an der Innenseite hinterlassend. Innerhalb von Sekunden war es leer.
9.
»Es wird mit Lähmungen anfangen. Unkontrolliertes Zittern. Dann wird sie nach und nach Muskelmasse verlieren. Die Haut wird sich von ihren Händen schälen, das Gewebe verfaulen. Die Hände werden sich in leblose Klauen verwandeln. Ihre Beine werden noch schneller atrophieren und sich in tote Stümpfe verwandeln. Nach einiger Zeit wird ihr Auge austrocknen und in sich zusammenfallen.«
Hazlitt saß auf einem antiken EKG-Gerät und paffte gelegentlich an einer Zigarette, die aber hauptsächlich unbeachtet zwischen zwei Fingern steckte. »Vielleicht wird sie irgendwann sterben. Wir wissen es nicht.«
»Wenn es sie davon abhält, weitere Vampire zu erschaffen, ist mir das egal«, sagte Arkeley. »Gibt es einen vernünftigen Grund, warum wir noch hier sind?«
Justinia Malvern hockte in der Nähe ihres Sargs im Rollstuhl, das leere Becherglas in der fast leblosen Hand. Ihre andere Hand ruhte auf der Tastatur eines Laptops, der oben
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