Der letzte Vampir
Entscheidung.« Arkeley klopfte auf die Manteltasche, als sollte ihr das etwas sagen. Das tat es nicht. Er seufzte tief und starrte die Vampirin weiterhin an, während er erklärte: »Als wir sie auf dem Grund des Allegheny fanden, noch immer in ihrem Sarg, wussten wir nicht, was wir tun sollten. Ich war noch immer im Krankenhaus, abgesehen davon hörte mir sowieso niemand richtig zu. Meine Bosse übergaben ihren Körper an das Smithsonian-Institut. Das Smithsonian sagte, sie hätten zwar liebend gern ihre Überreste, aber solange sie lebte, könnten sie sie nicht nehmen. Sie baten uns, sie einzuschläfern, damit sie sie ausstellen konnten. Dann beging jemand einen Fehler: Er fragte einen Rechtsanwalt um Rat. Da sie, soweit wir wissen, nie einen Amerikaner getötet hat – sie war schon in diesem sterbenden Zustand, ehe die amerikanische Revolution begann –, entschied das Justizministerium, dass wir nicht das Recht hätten, sie zu exekutieren. Witzig, was? Lares bewegte sich und zeigte Zeichen von Intelligenz, aber kein Mensch protestierte, als ich ihn tötete. Malvern hier lag zur Hälfte vermodert in ihrem Sarg, aber hätte ich ihr einen Pflock ins Herz geschlagen, hätte man es möglicherweise als Mord bezeichnet. Nun, so läuft das eben. Sie hat weder Familie noch Freunde, aus offensichtlichen Gründen, also wurde sie zu einem Mündel des Gerichts. Den Bestimmungen nach bin ich für ihr Wohlergehen verantwortlich. Ich muss sie einkleiden, für ihre Unterkunft sorgen und, ja, auch für ihre Ernährung. Niemand weiß, ob es sie umbringen würde, wenn man ihr das Blut verweigert, aber ohne die Anordnung eines Bundesgerichts dürfen wir das nicht.«
»Sie hat sich ihre Pflege schon Dutzende Male verdient«, sagte Hazlitt. Er baute den Siphon ab, der Blut aus seinem Arm gezogen hatte. »Ich befasse mich jetzt seit sieben Jahren mit ihr, und jeder Tag und jede Nacht waren nützlich.«
»Ach ja? Was haben Sie denn gelernt?«, fragte Caxton.
Das Gesicht der Vampirin geriet in Bewegung. Ihre Nase hob sich und zuckte obszön. Sie hatte das Blut gerochen.
»Wir haben herausgefunden, dass das blaue Licht am besten für sie ist. Wir haben herausgefunden, wie viel Blut sie braucht, um eine gewisse Mobilität aufrechtzuerhalten. Wir haben herausgefunden, welche Luftfeuchtigkeit sie mag und welche Temperaturen sie beeinflussen.«
Caxton schüttelte den Kopf. »Das alles hilft ihr, am Leben zu bleiben. Und was haben wir davon?«
Zum ersten Mal sah Arkeley sie mit einem beifälligen Funkeln in den Augen an.
»Wir werden hier ein Heilmittel finden.« Hazlitt trat entschlossenen Schrittes um einen Labortisch herum. »Hier, in diesem Raum. Ich werde sie heilen. Und dann werden wir einen Impfstoff herstellen können, und davon wird die Gesellschaft profitieren.«
»Wenn sie ausgestorben sind, brauchen wir keinen Impfstoff«, sagte Arkeley.
Einen Augenblick starrten sich die beiden voller purem, unverfälschtem Hass an.
»Entschuldigen Sie mich, aber ich muss sie jetzt wirklich füttern.« Hazlitt kniete vor der an den Rollstuhl gefesselten Vampirin nieder und hielt das Becherglas hoch, um ihr die zwei Unzen schwarzes Blut zu zeigen.
»Herrgott, wie lange forschen Sie denn schon an ihr?«, fragte Caxton. »Seit sieben Jahren? Aber sie muss schon zwei Jahrzehnte hier sein. Wer hat vor Ihnen hier gearbeitet?«
»Dr. Gerald Armonk.«
»Der verstorbene Dr. Armonk«, sagte Arkeley.
Hazlitt zuckte mit den Schultern. »Das war ein bedauerlicher Unfall. Dr. Armonk und Justinia hatten eine ganz besondere Beziehung. Er fütterte sie auf direktem Weg: Er schnitt sich die Daumenkuppe auf und ließ sie sein Blut saugen. Sie müssen wissen, in den Neunzigern litt sie eine Weile unter einer schweren Depression und versuchte sogar einige Male, sich etwas anzutun. Es war vielleicht nicht unbedingt die klügste Idee, sie auf diese Weise zu füttern, aber es schien sie deutlich aufzumuntern.«
»Armonk hatte einen Doktortitel. Aus Harvard, stellen Sie sich vor«, sagte Arkeley.
»In den ersten Tagen, in denen ich hier arbeitete, war sie voller Leben und richtig schön«, sagte Hazlitt. »Dann fing sie an, wie eine welke Rose zu vergehen. Das wenige Blut, das ich für sie hatte, reichte einfach nicht.« Er hob das Becherglas, als wollte er es an ihre knochigen Lippen drücken.
Arkeley entwand es ihm und schwenkte die dicke Flüssigkeit. »Vielleicht sollten wir noch etwas warten«, sagte er.
Die Vampirin hob eine bebende Hand. In
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