Der letzte Vampir
der sie den größten Teil des Wegs zurück nach Harrisburg bringen würde.
Sie drehte die Heizung auf und versuchte, die Kühle der Nachtluft zu vertreiben. Nach den Dingen, denen sie in den vergangenen zwei Tagen ausgesetzt worden war, fiel es schwer, warm zu werden. Die Kälte schien in ihr Fleisch gekrochen zu sein und ließ ihre Knochen schmerzen. Sie wollte das Radio anstellen, traute sich aber nicht – was, wenn Arkeley ihr Musikgeschmack nicht gefiel? Es wäre die Auseinandersetzung nicht wert oder die Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl. Sie hatte es endlich begriffen: Sie war bloß ein Trooper der Highway Patrol, er ein einflussreicher Fed. Sie war bereit, sich seiner Erfahrung zu beugen, ihn mit Respekt zu behandeln. Doch jedesmal, wenn er sie rügte, fühlte sie sich wie eine völlige Versagerin. Sie musste sich eine dickere Haut zulegen, zumindest in Arkeleys Nähe.
Sie war so tief in Gedanken versunken, dass es sie überraschte, als er das Schweigen brach. Beinahe schockiert stellte sie fest, dass er sie lobte.
»Sie haben da ein paar ausgezeichnete Fragen gestellt«, sagte er. »Mit einer gewissen Ausbildung könnte eines Tages noch ein ordentlicher Detective aus Ihnen werden.«
Ganz tief in ihrem Inneren hatte sie sich vorgestellt, dass er, falls er einmal so etwas sagen würde (vermutlich, wenn er sie vor einem Haufen erledigter Vampire stehen sah), etwas verlegen klingen würde, als hätte er ihr Potenzial die ganze Zeit erkennen müssen, sich aber von seiner Arroganz blenden lassen. Stattdessen klang er so wie immer – wie ein Grundschullehrer, der Arbeiten zurückgab. Nur dass auf der hier »2 Plus« stand. Sie würde nehmen, was sie kriegen konnte.
»Ich muss mehr über diese Monster erfahren«, sagte sie, »wenn ich Ihnen eine Hilfe sein soll. Und ich will eine Hilfe sein.«
»Das werden Sie, auf die eine oder andere Weise. Und ich werde Ihnen auch helfen. Ganz egal, was passiert, das hier wird ein großer Fall. Als ich mich um Lares kümmerte, hat das meiner Karriere großen Auftrieb verliehen. Man wird Sie zweifellos befördern, wenn wir dieses Ding aufhalten können, bevor es allzu viele Leute tötet.«
Sie schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte sie daran überhaupt nicht gedacht. »Ich bin nicht Trooper geworden, um mir Sergeantstreifen zu verdienen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hätte nichts dagegen, eine Gehaltsstufe höher zu klettern. Aber ich sitze in diesem Wagen, weil ich an das glaube, was wir tun. Bei der Abschlusszeremonie auf der Akademie mussten wir das Ehrengelöbnis aufsagen. Wir mussten das überhaupt oft aufsagen, bis wir anfingen, daran zu glauben. ›Ich bin ein State Trooper von Pennsylvania. Ich bin ein Soldat des Gesetzes. Man vertraut mir die Ehre der Truppe an.‹ Das mit dem Soldatsein war übrigens ernst gemeint. Trooper dürfen nicht heiraten und leben zusammen in Kasernen, genau wie richtige Soldaten. Frauen werden erst seit den Siebzigern aufgenommen.«
Arkeley schwieg eine Weile. Als er wieder sprach, klang er beinahe nachdenklich. »Es muss nicht leicht für Sie gewesen sein, einer so konservativen Organisation beizutreten. Ich vermute, es gibt einigen Widerstand gegen Frauen in solchen Positionen, selbst heute noch.«
Sie lachte. »Wow, da predigen Sie den Bekehrten.«
»Tatsächlich dürften Sie selbst auf direkten Widerstand gestoßen sein. Eine Frau, die die Arbeit eines Mannes macht – es wird Gerede gegeben haben. Dumme Sprüche, vermutlich im Umkleideraum.«
»Sicher. Eine Menge der Typen haben einen großen Mund.«
»Sie haben Sie bestimmt zur Witzfigur gemacht. Haben sich Spitznahmen für Sie ausgedacht. Gehässige Spitznamen, vielleicht aber durchaus zutreffend.«
Caxton errötete. Sie war nicht sicher, worauf er eigentlich hinauswollte. »Ja, man hat mir Spitznamen verliehen. Die bekommt nun einmal jeder, also …«
»Vermutlich sind sie darauf herumgeritten, dass Sie lesbisch sind.«
Sie presste die Lippen aufeinander; in ihren Ohren rauschte das Blut. Sie registrierte die Wagen auf der anderen Spur. Sie fuhr zu schnell und nahm mühsam den Fuß vom Gas.
»Sie sind doch lesbisch, oder? Ich vermute das eigentlich nur aufgrund Ihres Haarschnitts«, sagte Arkeley. »Natürlich könnte ich mich irren.«
Sie rutschte auf ihrem Sitz herum und warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ja, ich bin lesbisch!«, rief sie. Anscheinend konnte sie ihre Stimme nicht beherrschen. »Und was bringt Ihnen das jetzt? Es ist mir egal, ob
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