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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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schien es keineswegs eilig zu haben – als würde er sie erst dann töten wollen, wenn er Lust dazu hatte. Seine Augen waren rötlich und hell. An einigen Stellen seines Körpers klebten Samenkapseln des Ahornbaumes, eine feine Schweißschicht bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Seine Haut, die zuvor so weiß ausgesehen hatte, wies in Wahrheit einen rosafarbenen Schimmer auf. Schließlich hatte er gerade dem Straßenbauarbeiter das Blut ausgesaugt. Der bedauernswerte Tote musste der Einzige gewesen sein, der sich noch an der Baustelle befunden hatte, möglicherweise der Nachtwächter.
    Der Vampir räusperte sich, als wollte er, dass sie ihn noch etwas länger ansah. War er eitel? Wollte er, dass sie ihn für schön hielt? Fand sie ihn schön? Wie Malvern zuvor im Sanatorium strahlte er nichts Menschliches aus. Es war seltsam: Sie hätte Arkeley nie als besonders warmherzig bezeichnet. Und doch ging von dem Fed eine Art Aura aus, menschliche Wärme, vielleicht auch nur ein Geruch. Der Vampir wies nichts dergleichen auf. Sie verglich ihn mit einer Marmorstatue, deren Linien und Konturen noch so perfekt gemeißelt sein konnten, eine makellose Reproduktion, die man dennoch nie mit etwas Lebendigem verwechselt hätte. Er war wie Michelangelos David. Perfekt, aber hart und kalt. Sein Penis hing schlaff herunter, und sie fragte sich, ob er dafür überhaupt einen Nutzen hatte. Fand er Menschen attraktiv? Hatten Vampire Sex?
    Er trat näher an das Auto heran und legte eine Hand auf den Rahmen des offenen Fensters. Er beugte sich herein, sein Unterkiefer klappte herunter, und er entblößte sein furchteinflößendes Gebiss. Caxton nahm hinter sich ein nervtötendes Summens wahr, wie der surrende Flügelschlag eines Moskitos. Als das Gesicht des Vampirs sich ihr näherte, verdoppelte sich der Lärm. Er war wirklich ausgesprochen lästig. Sie begriff, dass es Arkeley war. Er sagte etwas, aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Nun, er hatte noch nie etwas gesagt, das sie unbedingt hören wollte, also sah sie keinen Grund, ihm ausgerechnet jetzt ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
    Die Hände des Vampirs senkten sich auf sie herab, seine kräftigen Finger griffen sie an ihrer Uniformbluse und dem Gürtel. Sie bewegte sich durch einen leeren Raum, auf unerklärliche Weise von seiner Macht angezogen. Mit einer leicht Übelkeit erregenden, fließenden Bewegung war sie außerhalb des Wagens und baumelte von seinen Händen. Sie trieb schwerelos dahin und fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen, so, wie sie sich gefühlt hatte, wenn ihr Vater sie hochgehoben und getragen hatte. Wie schön war es doch gewesen, alles dieser Umarmung zu opfern. Welche Freude hatte es ihr bereitet, eine Puppe in den Armen ihres Vaters zu sein.
    Sie schaute dem Vampir wieder in die Augen, aber er hatte das Gesicht von ihr abgewandt. Sie runzelte die Stirn, wünschte sich so sehr, dass er sie wieder ansah. Ein Loch erschien in seiner Stirn, ein klaffendes schwarzes Loch, das dunkle Flüssigkeit und Knochenfragmente ausspie. Ein zweites Loch erschien in seiner Wange. Sie sah seinen Hinterkopf aufplatzen und plötzlich, völlig überraschend, fiel sie.
    Und landete auf dem Boden. Schmerz durchzuckte ihren Arm wie ein Blitz.
    Der Aufprall trieb ihr die Luft aus den Lungen. Sie keuchte auf. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie konnte wieder hören – und hatte nicht einmal mitbekommen, dass sie noch vor einem Moment taub gewesen war. Sie schaute auf ihre Hände, dann zu dem Vampir hoch. Dort stand keine Marmorstatue. Dort stand eine Bestie, ein Ding mit Reißzähnen und blutigen Augen, und es würde sie töten. Tatsächlich war es – er – dabei gewesen, sie zu töten, als Arkeley ihm zweimal ins Gesicht geschossen hatte.
    »Mein Gott!«, schrie sie. »Mein Gott!« Der Vampir hatte zwei Kugeln in den Kopf bekommen, und alles, was er getan hatte, war, sie fallen zu lassen. Er war getroffen – schwer getroffen –, aber sie wusste, dass das nicht reichen würde. Sie eilte von ihm weg, auf allen vieren. Panik schoss in ihr hoch, und beinahe hätte sie sich übergeben.
    Der Scheißkerl hatte sie hypnotisiert. Sie griff nach ihrer Pistole und wandte sich um, damit sie ihm ins Herz schießen konnte, so oft wie nur möglich.
    Sie hatte den Pistolengriff im Holster noch nicht ganz umschlossen, als sich die Hand des Vampirs um ihren Nacken krallte. So schnell sie sich auch von ihm fortbewegt hatte, er war schneller

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