Der letzte Vampir
und jemand hatte ihr sogar Makeup aufgelegt. Aber den Striemen von dem Seil um ihren Hals konnten sie nicht verbergen.«
Vesta nickte und blies eine Rauchwolke aus. »Sie machen sich Sorgen, dass Sie Deanna verlieren könnten. Nun, das ist bloß natürlich. Aber wenn die Zeit kommt, werden Sie bereit sein, sie loszulassen. Das werden Sie müssen. Ich sehe das so deutlich wie die Wellen in Ihrem geistigen Auge.«
Die letzte Bemerkung verwirrte Caxton – bis sie schließlich auf die Karte in Vestas Hand sah. Sie zeigte drei Wellenlinien.
»Kommen Sie, sammeln wir die Jungs ein.« Sie erhoben sich und gingen in die Küche, wo Arkeley und Urie an einem gewaltigen Tisch saßen, der einst eine Tür gewesen war und jetzt auf einfachen Holzböcken lag. Zwischen ihnen lag ein Haufen kleiner Gegenstände; sie waren dreieckig und schimmerten beinahe perlmuttartig. Caxton hob einen davon hoch und erkannte, dass es sich um einen Vampirzahn handelte. Nachdem der Fed vergangene Nacht den Vampir getötet hatte, musste er ihm mit einer Zange sämtliche Zähne gezogen haben.
Urie Polder schob die Zähne in einen Satinbeutel und band ihn mit einer Schnur zu. »Das reicht dicke als Bezahlung, ähem.«
»Was haben Sie damit vor?«, fragte Caxton.
»Er wird dafür eine sinnvolle Verwendung finden«, sagte Vesta und schob sie auf die Haustür zu. »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.«
Als sie losfuhren, schaute ihnen das kleine blonde Mädchen vom Fenster aus zu. Caxton hatte es nicht kennengelernt, kannte nicht einmal seinen Namen.
18.
Caxton fuhr zum State College, das nur etwa ein Dutzend Meilen entfernt war, bloß um aus der erstickenden Atmosphäre von Pennsyltucky herauszukommen. Die von Bäumen gesäumten Straßen der Universitätsstadt waren voller Studenten in hellen und farbenfrohen Parkas und Windjacken. Sie gingen zu zweit oder in Gruppen, lachten, trugen Rucksäcke, die Gesichter vor Kälte gerötet, aber ohne Kopfbedeckung. Sie waren lebendig; das war die Hauptsache. Richtig lebendig, und ihre Bedürfnisse drehten sich um die einfachsten Dinge – Sex, Noten, Bier. Keiner von ihnen wollte einen Geist häuten oder einem noch lebenden Opfer das Blut aussaugen. Sie waren auch jung, ohne Falten, auf ihre Weise unschuldig. Sie zu sehen tat gut.
Caxton verlor die Kontrolle, und das wusste sie. Dass sie so weit fuhr, nur um ein paar junge Leute zu sehen, ließ ihr bewusst werden, wie dunkel ihr Leben in kürzester Zeit geworden war. Sie parkte auf der College Avenue vor einem großen Steintor, durch das sie bis zum Innenhof sehen konnte. Sie löste ihren Sicherheitsgurt, stieg aber nicht aus dem Wagen.
Arkeley schaute auf. Er hatte sich die ganze Fahrt über mit seinem BlackBerry beschäftigt. »Gute Neuigkeiten«, sagte er. »Die Ermittlungseinheit hat schon siebzehn der Verdächtigen ausschließen können. Sie haben zuerst das medizinische Personal und die Vollzugsbeamten überprüft – also alle, die möglicherweise direkten Kontakt zu Malvern hatten. Jetzt haben sie etwa die Hälfte durch.«
Caxton nickte. Das war wirklich gut. »Malvern. Es führt alles wieder zu Malvern zurück. Wie ist sie überhaupt hergekommen?«, fragte sie. »Sie haben sie in Pittsburgh gefunden, aber sie ist nicht hier geboren, oder?«
»Nein«, sagte er und steckte den BlackBerry in die Tasche. »Vampire bleiben immer in Bewegung – so sind sie Leuten wie uns immer einen Schritt voraus. Ich habe Jahre gebraucht, um ihren Weg nachzuvollziehen, und ich bin noch immer nicht fertig. Ich weiß, dass sie in Manchester geboren wurde, in England, so um das Jahr 1695. Fünfundsechzig Jahre lang hat sie die Stadt terrorisiert, bevor die Blutlust zu stark wurde und sie sich nicht mehr aus dem Sarg erheben konnte. Eine Weile lebte sie dann von der Fürsorge eines anderen Vampirs, Thomas Easling, der 1783 in Leeds auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Malverns Körper wurde unter Easlings Besitztümern gefunden, man hielt sie für tot, für eine mumifizierte Leiche. Eine Kuriosität. Ein Plantagenbesitzer aus Virginia kaufte sie für fünfunddreißig britische Pfund, ein gewisser Josiah Caryl Chess, der auf Naturgelehrter machte. Er hatte eine recht große Sammlung von Dinosaurier- und Säugetierfossilien, also kam ihm ein dem Tode geweihter Vampir offenbar wie ein großartiger Fund vor. Er machte sich nie die Mühe, ihr Herz zu entfernen. Schließlich konnte sie sich nicht bewegen, und obwohl er gewusst haben muss, dass sie auf eine
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