Der letzte Vampir
andere Weise noch am Leben war – möglicherweise hat er sie sogar gefüttert –, war er davon überzeugt, dass sie niemandem mehr schaden konnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie ihn irgendwie beeinflusst, obwohl seine Tagebücher das genaue Gegenteil aussagen. Er war mindestens einmal mit ihr intim.«
»Scheiße, das ist nicht wahr«, sagte Caxton, und ihr Magen zog sich zusammen wie ein Gummiball. Ihr fiel wieder ein, was Arkeley über Malvern und ihren derzeitigen Pfleger Dr. Hazlitt gesagt hatte. Sie hat ihnen viel mehr zu bieten als nur ihren durchdringenden Blick. »Aber sie wäre … Hören Sie, es tut mir leid, wenn das obszön klingt, aber sie wäre zu trocken.«
»Gleitmittel gab es schon in ferner Vergangenheit. Ich weiß, dass die alten Römer Olivenöl benutzten. Und wenn man sie lässt, wenn man mitspielt, kann sie genau so aussehen, wie man es will. Ihre Traumfrau. Die Illusion hat so lange Bestand, wie sie es will.«
Etwas in Arkeleys Tonfall beunruhigte sie. »Haben Sie gesehen, wie sie das macht?«, fragte sie. Eigentlich hatte sie ihn fragen wollen, ob sie für ihn das Erscheinungsbild verändert hatte – und ob er auf sie hereingefallen war. Aber das brachte sie nicht fertig, jedenfalls nicht so direkt.
Er kicherte. »Sie hat es mit vielen Tricks bei mir versucht. Ich besuche sie jetzt seit zwei Jahrzehnten alle paar Wochen – und sie hat die ganze Zeit versucht, mich auf ihre Seite zu ziehen. Bis jetzt konnte ich widerstehen.« Er klang, als könnte er nicht garantieren, dass er standhaft bleiben würde. »Wie dem auch sei. Chess starb natürlich an Blutverlust. Offiziell hat man Malvern dafür nie verantwortlich gemacht. Sie hatte sich nie aus ihrem Sarg erhoben, der als eine Art Ausstellungsstück im Wohnzimmer stand. Im Nachhinein liegt es natürlich auf der Hand, dass sie Chess leergesaugt hat, aber damals hat man einen rebellischen Sklaven für seinen Tod verantwortlich gemacht. Man schloss Malvern auf dem Dachboden ein und vergaß sie. Im Bürgerkrieg wurde die Plantage niedergebrannt, und Malvern verschwand für eine Weile von der Bildfläche. Tatsächlich tauchte sie das nächste Mal erst wieder im Zusammenhang mit Piter Byron Lares auf, und die Geschichte kennen Sie ja.«
»Lares besaß viele dem Tod geweihte Vampire, nicht nur Malvern.«
»Ja. Sie kümmern sich umeinander. Das ist fast so etwas wie Ahnenverehrung und eines der wenigen Dinge, die sie zu irrationalem Handeln veranlassen können. Ich ging ursprünglich von der Annahme aus, dass die vier Vampire auf Lares’ Boot alle von einer Linie abstammten, dass einer von ihnen Lares erschaffen hatte, während ein anderer wiederum den erschuf, der Lares erschuf, und so weiter. Da irrte ich mich allerdings. Als ich Lares entdeckte, sammelte er schon seit Jahrzehnten alte Vampire. Vielleicht dachte er, er würde etwas Gutes tun, indem er für sie Blut beschaffte und sich um sie kümmerte. Oder er beruhigte dadurch sein Gewissen, vorausgesetzt natürlich, dass er so etwas wie ein Gewissen hatte. Ich weiß es nicht. Ich beschäftige mich nun schon seit zwanzig Jahren mit Vampiren und weiß immer noch nicht, wie sie denken. Sie sind uns einfach zu fremd.«
Caxton kratzte sich unter der Achsel. Sie starrte durch die Windschutzscheibe auf die vorbeigehenden Achtzehnjährigen, die einander im Arm hielten, um sich zu wärmen, und deren Gesichter so rein waren. Keiner von ihnen wusste, was die Zukunft bringen oder was aus ihnen werden würde. »Sie haben die ganze Zeit nur diesen einen Fall bearbeitet?«
»Viele Cops definieren ihre Karriere über einen Fall. Der Mörder, der davonkam, das vermisste Kind, das nie wieder auftaucht.« Arkeley zuckte mit den Schultern. »Also gut. Sie haben mich erwischt. Ich habe es nie geschafft, den Fall Lares zu vergessen. Ich bin nach Pennsylvania gezogen, um ihn wiederaufzunehmen. Ich habe Jahre gebraucht, um mit Leuten wie den Polders in Kontakt zu kommen, die möglicherweise Informationen hatten. Und ich habe Malvern wie ein Adler im Auge behalten.«
»Und wenn jetzt jemand das FBI anruft und sagt, wir haben einen Vampirmord, dann holt man Sie.« Caxton runzelte die Stirn. »Das ist eine schwere Bürde.«
»Ich schaffe das schon«, erwiderte Arkeley.
Wie auch immer. Sie sollte sich auf den Fall konzentrieren und nicht Arkeley bemitleiden. »Das ist meine erste echte Ermittlung«, sagte sie. »Ich bin kein Detective. Aber ich glaube, ich habe eine Vorstellung davon, was passiert
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