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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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wirklich berührt. Sie vermisste ihn so. Jeden Tag hatte sie an ihn gedacht, selbst als der Vampir sie vergangene Nacht in die Luft gehoben hatte. Seit seinem Tod war nichts mehr gut, nichts mehr richtig, nicht einmal, dass sie Deanna kennengelernt hatte; auch das hatte diese Wunde nicht heilen können.
    »Daddy«, hauchte sie, trat in seine Umarmung hinein. Und dann flammten Lampen auf, und es war nur eine Haut, etwas Ähnliches wie eine Tierhaut, die auf einem Holzgestell hing.
    »Sie haben recht«, sagte jemand. Eine sehr menschliche, sehr lebendige Stimme. Ein Mann stand hinter den Gestellen, eine Baseballmütze auf dem Kopf; seine langen Koteletten wuchsen unter seinem Kinn zusammen. Aus weichen, tiefen Augen starrte er sie an. Seine Stimme war reinstes Pennsyltucky, bis zu dem räuspernden Schlucken, das wie ein hörbares Ausrufezeichen klang. »Sie hatten recht, Arkeley. Die werden von ihr angezogen, ähm. Sie ist ein Geisterköder.«
    »Um die Geister mache ich mir keine Sorgen«, sagte Arkeley. Er stand keine drei Meter von ihr entfernt.
    Der andere – Urie Polder, nahm sie an – trat um eines seiner Gestelle herum und kam auf sie zu. Er war groß genug, um auf sie herunterzuschauen, während er versuchte, ihren Blick festzuhalten. Sie brach den Blickkontakt ab, so wie es vermutlich die meisten Menschen taten, wenn sie ihm begegneten. Ihm fehlte der linke Arm. Der Ärmel seines T-Shirts schlackerte über einem Ast, den er an Stelle des Arms trug, einem Stück mit grauer Rinde überzogenem Baumholz, das einen knorrigen Ellbogen und sogar drei zweigähnliche Finger aufwies.
    Was ihr an Urie Polders Arm aber wirklich Entsetzen einflößte, war nicht die Tatsache, dass er aus Holz war. Es war die Tatsache, dass er sich bewegte. Die dünnen Finger fuhren über seine Gürtelschnalle und zogen die Hose hoch. Holzschulter und Fleischschulter zuckten gleichzeitig. »Wir sollten sie ins Haus bringen, ähem. Vesta wird es da machen.«
    »Ja, gut«, sagte Arkeley. Er sah besorgt aus.
    Caxton rieb sich die Augen. »Mein Vater – das war der Geist meines Vaters. Sie haben mir den Geist meines Vaters gezeigt, bloß um … bloß …« Sie hielt inne. »Was zum Teufel ist Teleplasma?«
    »Die meisten Menschen bezeichnen es als ›Ektoplasma‹, was das Gleiche ist, aber dann hätten Sie es sich sofort denken können«, erklärte Polder. »Das ist Geisterhaut, ähem.«
    »Wie zieht man denn einem Geist die Haut ab?«
    »Nun ja«, sagte er und grinste verlegen, »nicht so, wie es dem Geist gefallen würde, ähem …«

17.
    In der Scheune war es kalt. Für einen Herbsttag war es auch an der frischen Luft kalt gewesen, aber in der Scheune herrschte der pure Winter. Die beiden Männer wandten sich der Tür zu, um hinauszugehen, aber Caxton blieb wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen. In ihr brodelte die Wut. »Moment mal«, sagte sie, und überraschenderweise blieben beide stehen. »Das war mein Vater. Sie haben den Geist meines Vaters auf einem Gestell hängen.« Sie hatte keine Ahnung, wie das geschehen sein konnte, nicht die geringste Ahnung, warum sich ausgerechnet der Geist ihres Vaters in dieser Scheune befinden sollte, aber sie würde keinen Schritt weiter gehen, bis sie es herausgefunden hatte.
    »Nun, ja, das mit den Geistern, das ist ne schwierige Sache, ähem.« Polder kratzte sich mit der Holzhand am Kinn. »Eigentlich ist es alles ganz anders …«
    Sie schüttelte wütend den Kopf. »Ich kenne seine Stimme. Ich habe ihm in die Augen gesehen.«
    »Ja«, sagte Arkeley. »Möglicherweise war er es sogar. Jedenfalls sein Geist – es kann aber auch ein boshafter Spuk gewesen sein, der mit Ihnen spielen wollte. Möglicherweise war es nicht einmal eine menschliche Erscheinung. Aber was immer es auch war, es ist nicht in einer dieser Häute gefangen. Das Teleplasma ist nicht der Geist selbst. Es ist eher wie Kleidung, die die Geister anlegen können. Es ist eine Substanz, die gleichzeitig von dieser und der anderen Welt Besitz ergreift, das ist alles.«
    Sie nickte Arkeley zu. »Ich kann mir schon denken, was das hier sollte, aber ich bin trotzdem stinksauer! Wenn dieses Teleplasma stark auf mich reagiert, dann bedeutet das, dass psychische Phänomene irgendwie auf mich wirken. Ich bin ›empfänglich‹.«
    »Lady, nach dem, was wir hier gerade gesehen haben, könnten Sie nebenher als Medium arbeiten«, sagte Polder. »Bitte, wir müssen ins Haus gehen. Die Begegnung mit Ihrem Vater hat in der Geisterwelt

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