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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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es immer noch Selbstmord, wenn man eine Entschuldigung hatte? Wenn man dazu getrieben wurde?
    »Officer«, sagte jemand in der Nähe. Es war wie der Geist, der in Urie Polders Scheune nach ihr gerufen hatte, eine richtungslose, körperlose Stimme. »Officer« sagte die Stimme erneut. Caxton runzelte die Stirn und wandte den Kopf. Eine Krankenschwester im blutverschmierten OP-Kittel stand da, eine Frau mittleren Alters, die das weiße Haar zu einem Knoten gebunden hatte. Sie trug dicke Handschuhe, solche, die man beim Geschirrspülen trug. »Officer, sie ist wach«, sagte die Krankenschwester.
    Caxton folgte ihr durch lange Gänge, um Ecken herum und Treppen hoch. Sie kamen zu einem Zweibettzimmer. In dem einen lag eine krankhaft fettleibige Frau, deren gesamter Unterleib und Oberschenkel in Gips steckten. Ein Operationskittel war über ihre Brüste gebreitet. Im anderen Bett lag etwas, das man aus Ersatzteilen wieder zusammengesetzt hatte.
    Es war Deanna, wie Caxton entsetzt erkannte. »Du siehst aus wie Frankensteins Ungeheuer«, sagte sie.
    Deanna versuchte zu lächeln, aber die Nähte an ihrem Kiefer verhinderten, dass sie den Mund richtig bewegen konnte. »Schatz … du hast mich allein gelassen«, nuschelte sie. Caxton nahm den Hut ab und beugte sich hinunter, um Deanna auf die geschwollenen Lippen zu küssen. Die fette Frau im anderen Bett stieß eine Mischung aus schockiertem Keuchen und Zungenschnalzen aus, aber Caxton hatte schon vor langer Zeit gelernt, diesen Laut zu ignorieren. Sie trat zurück, um Deanna besser ansehen zu können. Beim zweiten Mal war der Anblick auch nicht besser. Funkelnde Klammern hielten Deannas Gesichtshälfte zusammen. An Brust und Schultern stachen die Enden der Nähte, schwarz und rau wie Pferdehaar, aus der Haut, während die Verbände um ihre Hände wie blutige Fäustlinge aussahen. »Du hast mich ganz allein gelassen«, sagte Deanna.
    »Nicht sprechen, Dee. Ruh dich einfach nur aus.« Caxton strich sanft über die Klammern in ihrem Gesicht. Sie waren real, fest, und das Fleisch darunter war gerötet und entzündet.
    Ein Arzt betrat das Zimmer. Caxton sah ihn nicht einmal an. Sie hielt Deannas Blick fest und weigerte sich, ihn loszulassen.
    »Ich möchte jemanden hinzuziehen, der mit ihr spricht. Ich weiß, dass Sie das vermutlich nicht wollen, aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob Sie das Recht haben, mich daran zu hindern – haben Sie eine eingetragene Partnerschaft?«
    Das hatten sie nicht. Sie hatten sich nie die Mühe gemacht, da es vor dem Gesetz sowieso nicht zählte. Es spielte keine Rolle. »Ich habe keine Einwände«, sagte Caxton. Sie wollte nach Deannas Händen greifen, aber sie waren so schlimm zugerichtet, dass sie sie nicht berühren wollte. Stattdessen griff sie nach dem Bettgitter.
    Deanna wollte protestieren, aber Caxton sagte bloß: »Psst, es soll nur jemand mit dir reden.«
    »Alles in allem hat sie viel Glück gehabt. Sie hätte leicht sterben können. Sie hat viel Blut verloren, und ein paar Glassplitter steckten ziemlich tief. Wir müssen abwarten, ob an den Händen Nerven beschädigt sind. Der Schnitt in ihrem Gesicht wird eine plastische Operation erfordern, und selbst dann werden Narben bleiben.«
    Caxton hielt sich an dem Bettgestell fest, als würde sie auf einem finsteren Meer fortgespült werden, falls sie den Halt verlor. Es spielte keine Rolle, sagte sie sich. Deanna würde überleben. Jedenfalls bis zum nächsten Mal, bis zum nächsten Tötungsversuch. Vielleicht würde Reyes das nächste Mal selbst kommen. »Ich werde eine Wache anfordern, die vor dem Zimmer Posten bezieht, Doktor. Das war ein Mordanschlag.« Die Worte klangen lächerlich, als sie aus ihrem Mund kamen, wie etwas, das sie erfand. Aber es war real, sie musste sich davon überzeugen, dass es real war. »Ich bleibe bei ihr, bis die erste Schicht eintrifft.«
    »Gut.« Der Arzt ging zu der fetten Frau, um nach ihr zu sehen. »Es ist fast zwei Uhr morgens, aber ich rufe unten bei der Anmeldung an und werde alles veranlassen.«
    »Zwei Uhr?«, fragte Caxton überrascht. Sie schaute auf die Uhr. »Scheiße. Dee, Süße«, sagte sie. »Ich muss gehen.«
    »Was?«, fragte Deanna.
    »Ich muss etwas erledigen.« Sie hatte es während der langen Stunden im Korridor beschlossen. Es war ihr nächster Schritt.

32.
    Caxton wusste nicht, wie man die Weste festschnallen musste. Einer der Männer vom Area Response Team zog die Riemen fest auf ihrem Rücken an und schloss die Schnalle. Er

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