Der letzte Vampir
Mund.«
Caxton runzelte verwirrt die Stirn. Ihre Hand hob die Waffe mühelos. Ihre Muskeln spannten sich, um die Pistole näher an ihr Gesicht zu bringen. Es würde viel schwerer sein, sie wieder zu senken, als das zu tun, was er sagte, das war ihr klar. Sie versuchte, das Gefühl des Nichts wieder heraufzubeschwören, das sie in dem Traum gehabt hatte. Versuchte sich darauf zu konzentrieren, wie dieser eine Schritt alles lösen würde.
Sie wollte ihm eine Freude machen. Diese Erkenntnis überraschte sie. Bis jetzt hatte sie jede Autoritätsfigur in ihrem Leben zufriedenstellen und beeindrucken wollen – ihren Vater, ihre Vorgesetzten bei der Highway Patrol. Arkeley. Warum nicht den Vampir, der solche Kontrolle über sie hatte?
»Komm schon, Laura. Ich habe noch anderes zu tun, okay?« Er berührte weder sie noch die Waffe. »Die meisten Leute kapieren das recht schnell. Als ich sie in ihrem Sarg sah, habe ich es sofort verstanden. Ich wusste, was sie anbietet, und ich wusste, dass ich es wollte. Unsterblichkeit, Laura, und die ist ansteckend. Was für eine wunderbare Sache! Warum sträubst du dich?«
Caxton hatte nicht den Eindruck gehabt, dass sie das tat. Sie war doch brav, wie es sich gehörte. Die Pistole kam immer näher, wanderte stückchenweise auf ihre Lippen zu. Ihr Mund öffnete sich. Ihre Zunge drückte ihre trockenen Lippen auseinander.
Ihr Wille und Reyes’ Wille waren miteinander verschmolzen. Sie konnte ihn in sich fühlen wie einen Wurm, der sich zwischen die Hemisphären ihres Gehirns grub. Genau das hatte Justinia Malvern mit ihm gemacht, das wurde ihr schlagartig klar, mit nur einem Blick hatte sie seine Augen einen Moment lang eingefangen. Die alte Vampirin hatte den Elektriker quer durch den Raum vergewaltigt, in einer Zeitspanne, in der man eine Glühlampe einschraubte. Jetzt machte er das Gleiche mit ihr, benutzte die gleiche Macht. Er hatte Congreve und den anderen erschaffen, den Vampir, der sich jeden Tag die spitzen Ohren abschnitt. Reyes war Experte. Wie sollte sie ihm widerstehen?
Die Waffe berührte ihre Lippen. Das Gefühl des kalten Metalls auf der empfindlichen Haut war wie ein Stromschlag. Ihre Augen verdrehten sich, als sie auf den Lauf hinunterschaute. Nur noch ein paar Zentimeter. Die Waffe musste nur noch ein paar Zentimeter zurücklegen, und sie wusste, dass ihr Finger dann den Abzug drücken würde.
»Deine Mutter hat es getan. Dein Vater hat drei Päckchen am Tag geraucht, er hat es verstanden.« Reyes atmete. Er war so nahe. Er sah sie nicht an. »Deine Geliebte ist auch auf diesem Weg. Ich habe keinen Augenblick lang gezögert. Es ist wirklich nicht schwer.«
Caxtons Finger krümmte sich um den Abzug. Ein Zucken, nur eine winzige Bewegung.
Da kam Arkeley die Treppe herunter, seine Füße verursachten keinen Laut auf den Stufen. Er trat hinter sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie wusste, dass er es war. Genau wie in der brennenden Werkshalle. »Sie sind nicht so zerbrechlich, wie Sie glauben«, sagte er zu ihr. Es war das Netteste, was man ihr jemals gesagt hatte. Ein netter, letzter Gedanke, um ihr Leben zu beschließen.
Du bist nicht wirklich hier , dachte sie. Aber dann stockten ihre Gedanken – wie konnte er hier sein, wo sie doch hellwach war? Er war ihr in ihrem Traum erschienen, aber das hier, dass er hier im wahren Leben war, das war unmöglich.
Sie hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende geführt, da verschwand er. Seine Hand hinterließ nur eine leichte Wärme auf ihrer Schulter. Ihr Arm war plötzlich sehr, sehr schwer, und die Pistole fiel von ihren Lippen. Sie zeigte noch immer auf ihr Fleisch, aber der Lauf ruhte jetzt auf ihrer Brust, links vom Brustbein. Wenn sie jetzt feuerte, würde sie sich das Herz zerfetzen.
»Nein«, sagte Reyes. Ein tosender Laut in dem kleinen Raum. Er bewegte sich schnell, zu schnell, als dass sie es mitbekam. Die Waffe flog in die Zimmerecke, ihre Hand schmerzte, als wäre sie geschlagen worden. »Nein, nein, nein, nein«, stöhnte er, »wie kann man nur so blöd sein? Dafür habe ich wirklich keine Zeit.« Er sah sie an, und in seinen blutigen Augen leuchteten Wut und Hass. Sein Arm schwang herum, und sie flog von dem Sarg und landete zusammengekrümmt in einer Ecke.
41.
Reyes erhob sich und vergrub eine der enormen Hände in ihrem Haar. Er zerrte sie hoch und schaute ihr in die Augen, bis sie aufrecht stand.
»Ich war der Ansicht, dass diese Sache mit dem Schweigen
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