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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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zu entzünden. Hellrote Flammen züngelten die Glaswände entlang. Das Papier verfärbte sich schwarz und zerbröckelte schnell, aber es gab ja genug, und Caxton stopfte immer mehr hinein. Dann ließ sie das Herz ins Glas fallen.
    Sie ging davon aus, dass sie das Feuer stundenlang füttern musste, während das feuchte Herz austrocknete. Muskelgewebe, und dazu gehörte auch das Herz, war dafür bekannt, dass es schlecht verbrannte. Aber das galt nicht für ein Vampirherz. Es hätte genauso gut aus Paraffin bestehen können – es flammte sofort auf, blaue Flammen, die so heiß brannten, dass das Glas zersprang und brennende Stücke in den Kellerraum spritzten.
    Reyes’ Schädel trieb im Sarg an die Oberfläche, der Kiefer zu einem Schrei aufgerissen, den Caxton genau hören konnte, ein langgezogener, entsetzlicher Schrei. Der Schrei einer Kreatur, die bei lebendigem Leib verbrannte, aber nicht aus den Flammen rollen oder laufen oder springen konnte.
    Und das war es dann. Sie hatte mit etwas Dramatischerem gerechnet – oder es erhofft. Aber nach wenigen Augenblicken versank der Schädel wieder in der Brühe und rührte sich nicht mehr. Der Schrei in ihrem Kopf verhallte, blieb aber wie das ferne Echo einer Melodie. Er verschwand nicht ganz, sondern wurde vom Hintergrundgeräusch ihrer eigenen Gedanken verschlungen.
    »Haben Sie kein Mitleid für ihn«, sagte Arkeley.
    Sie hustete, um ihre Stimme wiederzufinden. »Habe ich auch nicht. Dieser Hurensohn hat mich vergewaltigt. Selbst jetzt ist er noch in mir. Ich bin froh, dass er das fühlen kann.«
    Sie kniete neben dem brennenden Herzen nieder und sah zu, wie es zusammenschrumpfte und in Stücke zerfiel. Als es nur noch ein paar glühende Reste gab, schaufelte sie sie auf ein zusammengefaltetes Papier und warf sie in den Sarg. Das verflüssigte Fleisch explodierte wie ein Feuerball, und fröhliche kleine Flammenbahnen züngelten die Sargwände entlang.
    »Was haben Sie jetzt vor?«, wollte Arkeley wissen.
    »Ich gehe nach oben«, erwiderte sie, weil es so einfach war. Aber zuerst suchte sie ihre Beretta. Sie lag gut und sehr wichtig in ihrer Hand.

42.
    Neben der Falltür standen ein paar Halbtote. Sie schleppten einen Sarg, eine einfache Holzkiste, in der man einst vermutlich Werkzeug gelagert hatte, die aber groß genug für einen Menschen war. Der Sarg war für Caxton bestimmt, für ihre vampirische Wiedergeburt.
    Der eine trug eine Pickelhaube aus Chrom. Vier Tage zuvor war er noch ein Biker gewesen, ein stämmiger harter Bursche mit einer Vorliebe für Leder und Schmieröl. Reyes hatte ihn an einer Telefonsäule erwischt. Niemand erinnerte sich daran, wen er anrufen wollte.
    »Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte der Halbtote mit hoher, schriller Stimme. Er rieb sich die skelettähnlichen Hände, bis ausgetrocknetes Fleisch herunterrieselte. »Die Sonne ist fast aufgegangen.«
    Sein Gegenüber, eine halbtote Frau, schüttelte den Kopf. »Die Sonne. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich sie je wieder sehen würde. Ich hätte dafür bezahlt, und jetzt … mein Gott. Was bin ich? Zu was hat er mich gemacht?« Sie klang verwirrt und sehr verängstigt. Reyes war ihr kurz vor Sonnenaufgang beim Joggen begegnet, auf einer einsamen Landstraße, die noch immer in Nacht gehüllt war. Sie hatte weglaufen wollen, aber Reyes war schneller gewesen. »Das ist … das ist die Hölle. Ich bin in der Hölle. Das muss es sein.«
    »Sei nicht so voreilig«, meinte der Biker. »Es hat auch seine Vorteile.«
    Die Halbtote drehte den Kopf, um ihren Gefährten anzusehen. »Vorteile? Die Ewigkeit als untoter Freak ohne Gesicht zu verbringen hat einen Vorteil, willst du mir das sagen? Ich kann nicht essen, ich kann nicht schlafen. Mein Körper fällt auseinander, während ich ihn anschaue, zersetzt sich durch den Kontakt mit der Luft. Wo zum Teufel ist da der Silberstreif am Horizont?«
    »Nun«, sagte er, »es dauert höchstens eine Woche.«
    Da trat Caxton aus den Schatten, eine anderthalb Meter lange, solide Eisenstange in den Händen. Sie schwang sie in einem weit ausholenden Bogen, der dem ehemaligen Biker den gesichtslosen Kopf sauber von den Schultern riss. Sein stämmiger Körper brach langsam zusammen.
    Sie wandte sich der Frau zu. Die Halbtote wich mit ausgestreckten Armen vor ihr zurück, um Verschonung bettelnd. Im nächsten Moment war sie außer Reichweite, und die schwere Stange war bestenfalls eine unhandliche Waffe. Caxton warf sie in ihre Richtung und zuckte

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