Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
Vom Netzwerk:
sie berichtigte ihn nicht, sondern setzte sich einfach. Auf dem Sarg war nicht genug Platz, also musste sie ihn berühren, Hüfte an Hüfte, Arm an Arm.
    »Ich wollte persönlich mit dir sprechen«, sagte er. »Sie rät davon ab.« Irgendwie wusste Caxton, dass er Malvern meinte, dass Justinia Malvern die Regeln dieser Unterhaltung festgelegt hatte. Diese Information musste sie aus dem Reyes-Teil in ihrem Kopf haben. »Das soll alles schweigend ablaufen. Sie nennt es sogar den Stummen Ritus.«
    »Du stehst mir ihr in Kontakt … jetzt, in diesem Augenblick?«, fragte Caxton.
    Ja , hörte sie in ihrem Bewusstsein, aber er schüttelte bloß den Kopf. »Das kann ich nicht beantworten.« Es war, als wüsste er nicht, was sie gehört hatte. Als wüsste er nicht, dass ihre Verbindung in beiden Richtungen funktionierte. »Ich kann dir nichts weiter sagen, bis du den Fluch akzeptiert hast.«
    »Was gibt es dann zu reden? Weil ich mich weigere, das … zu tun, was du willst?«, sagte sie. Sie konnte es genauso wenig tun, wie sie das Wort laut aussprechen konnte. »Du wirst mich selbst töten müssen.«
    »Ich will nichts von dir. Es muss deine eigene Entscheidung sein. Du musst diese Sache akzeptieren, um eine von uns zu sein.«
    »Ich kann nicht … Ich habe Malvern gesehen, in ihrem Sarg …«
    Seide raschelte hinter ihr, und Caxton versuchte, sich umzudrehen, aber sie bewegte sich so langsam. Hinter ihr stand jemand, aber nein, da war nichts Menschliches. Endlich schaffte sie es, sich weit genug umzudrehen, um die Frau zu sehen, die sich zu ihnen gesellt hatte. Eine Vampirin, die sich gegen das Regal drückte, als würde sie sonst zusammenbrechen. Sie trug ein langes, purpurnes Seidenkleid mit einem gewagt tiefen Ausschnitt, das sich unten allen Ernstes zu einem Reifrock verbreiterte. Auf dem kahlen Kopf türmte sich eine gepuderte graue Perücke und verbarg die spitzen Ohren. Eine schwarze Satinaugenklappe verdeckte ein Auge, die Lippen waren mit geronnenem Blut verschmiert.
    Es war Malvern. Justinia Malvern, wie sie ausgesehen haben musste, als sie eine aktive, wohlgenährte Vampirin gewesen war. Eine Ikone der Kraft und Macht. Sie bewegte sich nicht. Oder lächelte oder sprach. Ihr Auge musterte Caxton, ohne zu blinzeln. In ihm stand die Wahrheit, die das starke Erscheinungsbild so gut verbarg. Malvern war verzweifelt. Sie bat um Hilfe, und gleichzeitig inspizierte sie Caxton, versuchte zu entscheiden, ob sie würdig war.
    »Sie braucht uns, Laura. Du kannst dir ihre Qualen nicht vorstellen. Wir müssen ihr helfen, und damit das gelingt, musst du eine von uns werden. Dein Leben ist irgendwie erbärmlich, okay? Ich will nicht grausam sein.« Seine Stimme veränderte sich beim Sprechen, der Akzent wurde dichter, verwandelte sich in ein Grollen. Malvern verschwand ohne Vorwarnung, hinterließ nichts als einen Blutgeruch, der in der Luft schwebte und sich langsam, beinahe fließend in den Gestank von kochendem Mist verwandelte.
    Zuerst verstand Caxton das nicht – dann drehte sie langsam den Kopf, um ihn wieder anzusehen. Der Traum war vorbei, und die Realität war zurückgekehrt. Nichts hatte sich verändert. Sie saßen noch immer nebeneinander auf dem Sarg, und das einzige Licht kam von der flackernden Kerze. Er wollte sie glauben machen, dass sie noch immer in dem Traum war – warum sonst die subtile Veränderung? Aber wo er zuvor menschlich und völlig bekleidet gewesen war, trug er jetzt nur seine Hosen, und seine Haut war weißer als Waschpulver. Sie schaute auf und sah den kahlen Kopf, die spitzen Ohren. Den Mund mit den grausamen Zähnen.
    Zuvor hatte er wie ein Individuum ausgesehen, wie ein menschliches Wesen, das einzigartig auf der Welt war. Jetzt sah er bloß so ähnlich aus wie der Vampir, bei dessen Tötung sie dabei gewesen war, den Arkeley mit dem Presslufthammer vernichtet hatte.
    Congreve , hörte sie in ihrem Kopf. Das war der Name des vernichteten Vampirs. Reyes hätte das bestimmt nicht freiwillig preisgegeben, oder? Es sei denn, es war ihm egal. Falls er sicher war, dass sie sterben würde.
    »Es ist deine Entscheidung«, sagte er und gab ihr einen schweren, seltsam geformten Gegenstand. Sie schaute langsam nach unten und erkannte, dass es eine Handfeuerwaffe war. Tatsächlich sogar ihre Beretta. »Sie glaubte, du würdest es vielleicht verstehen. Dass du vielleicht helfen möchtest … Aber das ist ganz allein deine Sache. Du hebst das Ding hoch, du schiebst dir den Lauf in den

Weitere Kostenlose Bücher