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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Sie vorher auf die Toilette, Leslie?«
fragte McLean. »Wir werden hier eine Weile brauchen.«
    »Nein, ich fühle mich wohl.« Silvestri hatte sie
gewarnt. Bei der Sitzung mußte man eine leere Blase haben.
    Das Zimmer wirkte wie ein Arbeitszimmer. Ringsum
standen Bücher, und irgendein Stück von Bach war gerade noch zu hören. Ihre
Füße ruhten auf einem verblaßten Perser in gedämpften Brauntönen. Tom McLean
saß an seinem aufgeräumten Kirschbaumschreibtisch und lächelte sie beruhigend
an.
    Die Nachmittagssonne lag auf den geschlossenen
Jalousien, die den Raum zu einem Kokon machten. Es hätte jede Jahreszeit sein
können, sogar Sommer.
    McLean sagte: »Entspannen Sie sich, Leslie. Sie
befinden sich in guten Händen. Ich habe mehr als tausend solcher Gespräche
geführt.«
    »Silvestri hat es mir gesagt.« Sie wünschte, er
würde zur Sache kommen.
    »Ich möchte Ihnen das Gefühl geben, daß Sie mir
alles sagen können. Sie sollen sich bei mir so wohl fühlen, daß Sie Ihre
Wachsamkeit fallenlassen. Ich schalte die Lampen etwas herunter, und ich
möchte, daß Sie Kleidungsstücke lockern, die Sie beengen.«
    Sie trug ein Straßenkostüm. Verdammt, alles
beengte sie. Als Kompromiß zog sie die Jacke aus und legte sie auf einen
Beistelltisch, dann sank sie wieder in den Sessel. Er drehte das Licht
herunter, ohne vom Stuhl aufzustehen.
    »Sie haben keine Probleme mit Aufzügen, Leslie?«
    »Nur wenn ich lange auf sie warten muß.«
    »Gut. Ich geleite Sie jetzt in einen natürlichen
Zustand des Entspanntseins. Dies ist kein Schlaf, und Sie werden nicht in
Trance geraten.« Seine Stimme war tief und fast melodiös, doch fesselnd. Sie
konnte sich ihr nicht entziehen. »Sie werden sich behaglich fühlen. Sie werden
nie außer Kontrolle geraten. Sie können dies hier jederzeit abbrechen. Ich
werde Sie nur nach dem einen Vorfall fragen, auf den wir uns schon früher
geeinigt haben. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Ja.«
    »Und ich verwende dieses Tonbandgerät, weil es
wichtig ist, genau festzuhalten, was ich frage und was Sie antworten.«
    »Okay.« Ihr wurde mit einer gewissen Ehrfurcht klar,
daß sie okay zu allem sagen würde, was immer er vorhätte.
    »Sie stammen nicht aus New York, Leslie?«
    »Nein. Ich bin auf einem Bauernhof in New Jersey
nicht weit von der Küste aufgewachsen, aber seit fast zwanzig Jahren wohne ich
hier.«
    »Vermissen Sie es jemals?«
    »Was? Den Bauernhof?« Als er nickte, fuhr sie
fort: »Nie. Ich fühlte mich dort begraben. Eingesperrt.«
    »Erzählen Sie mir, was Sie tun, um sich zu
entspannen.«
    »Übungen an der Barre. Hat Silvestri es Ihnen
nicht gesagt? Ich war Tänzerin.« Sie lächelte. »Ich war eine wirklich gute
Tänzerin.«
    »Am Broadway?«
    »Ja.«
    »Tun Sie noch etwas anderes zum Entspannen?
Etwas körperlich nicht so Anstrengendes vielleicht, etwas, was Sie glücklich
macht?«
    »Yoga, aber das ist auch körperlich. Vermutlich
entspricht die körperliche Betätigung meiner Natur. Aber ich beschäftige mich
auch mit TM, transzendentaler Meditation. Und manchmal bereite ich eine große
Tasse Kaffee, ziehe die Füße aufs Sofa hoch, lege Mozart auf und lese einen
Roman.«
    »Was lesen Sie?«
    »Doctorow oder Jane Smiley oder Anne Tyler. Wenn
ich weiß, daß ich nicht ans Telefon gehen oder mich mit irgendeiner Krise in
der Firma befassen muß, macht mich das unglaublich glücklich.« Seine Augen
forderten sie auf, mehr zu sagen, aber sie schwieg.
    »Wir werden Ihren Körper ausschalten, Leslie, um
zu Ihrem Geist vorzudringen. Ihr Körper wird eine träge, schwere Masse. Sie
hören Ihren Herzschlag, fühlen Ihr Blut durch die Adern strömen.« Er sprach
langsam und gleichmäßig, und sie spürte, daß sie tiefer in den Sessel sank.
    »Wir arbeiten jetzt zusammen, damit Sie zu dem
Punkt gelangen, an dem Sie sich wirklich erinnern wollen. Wir führen eine Reihe
geistiger Übungen durch, wandern zu verschiedenen Orten, die Sie von Ihrem Ich
wegführen und Sie veranlassen, Ihre Energie auf etwas anderes als die tägliche
Routine zu konzentrieren.« Seine Stimme war tief und sanft; sie umfloß sie wie
warmer Sonnenschein. »Dann, wenn Sie sich sehr wohl fühlen, fördern wir Ihre
Erinnerungen an dieses bestimmte Ereignis zutage und projizieren sie auf einen
Fernsehschirm. Wir können dann Ihre Erinnerung ablaufen sehen, so daß auch Sie
Beobachterin sind.«
    »Oh«, sagte sie leicht enttäuscht. »Sie
versetzen mich nicht in diese Erinnerung, um sie erneut zu

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