Der letzte Vorhang
durchleben?«
»Nach meiner Erfahrung erinnern Sie sich an weit
mehr, wenn Sie sich außerhalb Ihrer selbst stellen. Dann ist es so, als sähen
Sie sich einen alten Film an. Was wir hier tun, ist sehr wichtig. Sie sind es
Ihrer Freundin schuldig. Fühlen Sie sich dabei wohl, Leslie?«
»Ja.« Sie hatte doch etwas gesagt, oder nicht?
Aber sie konnte sich kaum hören. Der Sessel unter ihr war ein warmer, sanfter
Schoß, und sie sank zurück in einen weichen Leib, während sich ihr Körper
entspannte.
»Ich werde Sie bitten, sich zu erinnern, Leslie.
Möchten Sie das?«
»Ja«, sagte sie, den Blick auf ihn gerichtet. Er
war so freundlich. Sie spürte die letzten Reste des Widerstands aus ihren
Fingerspitzen entweichen.
»Jetzt werden Sie sich bewußt befehlen, dies zu
befolgen — sich zu entspannen und zu tun, worum ich Sie bitte. Vielleicht
werden Sie ängstlich. Dann sagen Sie es mir. Sagen Sie, ob Sie tun können,
worum ich Sie bitte.«
Ihre Atmung verlangsamte sich, wurde tiefer. Sie
staunte, während sie sich noch immer beobachtete. »Ja«, hauchte sie, aber sie
war sich nicht sicher, ob sie es laut gesagt hatte.
»Ich möchte, daß Sie die Hände mit gespreizten
Fingern flach auf die Schenkel legen«, sagte McLean. Sie hatte seinen weichen
Bariton im Ohr, der wiederholte: »Sie spüren, wie Sie langsam tiefer in den
Sessel sinken. Konzentrieren Sie sich auf meine Stimme, Leslie. Ich möchte, daß
Sie sich auf die Spitze des Ringfingers Ihrer rechten Hand konzentrieren.
Beobachten Sie Ihre Fingerspitze.«
Sie starrte auf die Fingerspitze und den ovalen
Nagel mit Perlmuttlack. Es war eine schöne Fingerspitze.
»Jetzt, Leslie, werden Sie Ihre gesamte innere
Kraft und Energie sammeln. Dabei werden Sie eine sehr erfreuliche Erfahrung
machen, weil Sie lernen, sich durch die Konzentration auf meine Stimme zu
entspannen. Und dann tun Sie, was ich Ihnen sage. Beobachten Sie Ihre
Fingerspitze... hören Sie auf meine Stimme... tun Sie, was ich sage.«
Die Zeit dehnte sich langsam wie ein Akkordeon,
das keinen Ton erzeugt.
»Beobachten Sie Ihre Fingerspitze... hören Sie
auf meine Stimme... tun Sie, was ich sage.«
Sie fühlte sich treiben, konnte die Augen nicht
offenhalten, dennoch raste eine spektakuläre Light-Show durch ihr Hirn, und
Stimmen wurden hörbar, alle zugleich, als überschnitten sich sämtliche
Telefonleitungen der Stadt.
Seine Stimme klang monoton. »Sie haben den Kopf
voller Lichter und Stimmen. Lassen Sie es geschehen. Versuchen Sie nicht, sie
auszuschalten. Ihre Augenlider werden jetzt schwer, und Ihre Atmung hat sich
verlangsamt. Sie fühlen sich erschlaffen. Holen Sie tief Luft und lassen Sie
die Spannung heraus. Ihr Körper wird schwer. Gleich werden Sie spüren, daß sich
Ihre Augen zu schließen beginnen. Lassen Sie es geschehen, Leslie. Hören Sie
auf meine Stimme. Tun Sie, was ich sage.«
Ihre Augen schlossen sich, während er sprach, doch
sie schlief nicht. Sie konnte das Leder des Sessels riechen, konnte sich atmen
hören.
»Ihr Geist ist jetzt sehr klar, Leslie. Leer von
Gedanken. Hören Sie auf meine Stimme. Tun Sie, worum ich Sie bitte.«
Sie hing in der Luft, schwebte, hatte nur seine
Stimme als Anker, konnte aber ihren regelmäßigen Atem hören. Alle Spannungen
ihres Lebens fielen langsam von ihr ab. Sie war vollkommen ruhig.
»Stellen Sie sich vor, daß Sie langsam über
einen Sandstrand gehen. Es ist später Nachmittag. Schauen Sie sich zu.«
Sie ist plötzlich wieder ein Teenager, wandert
bei Seaside am Strand, spürt die Zehen den warmen Sand greifen...
»Sie sind allein, Leslie, gehen... langsam...
gemächlich. Der Sand ist warm. Sie hören den brausenden Rhythmus der Wellen.
Während Sie gehen, werden Sie mit jedem Schritt entspannter. Ihre Augenlider
sind schwer... Ihre Muskeln sind schwer. Ihr Körper entspannt sich mehr und
mehr mit jedem Schritt. Ihr Atem geht immer langsamer. Sie haben keine Angst,
weil Sie nichts befürchten müssen.«
Ihre Schritte werden langsam, bis sie kaum noch
vorankommt. Sie kann die Salzluft riechen, den Seetang, die Sonnenbrandlotion
mischt sich mit Sonne und Schweiß. Sie kann die Wellen nicht mehr hören, nur
Tom McLeans Stimme allein erreicht sie, beruhigt sie. Sie weiß, daß sie ihm
überallhin folgen würde.
»In der Ferne«, sagte er, »sehen Sie einen Turm
aus gelbem Stein. Er ist von Efeu überwuchert. Sie kommen näher und näher, und
Sie betreten das Gebäude. Ein Aufzug wartet auf Sie. Sie steigen ein und
drücken auf
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