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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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gesehen. Falls
ich mich lächerlich mache, kannst du es ruhig mitbekommen.«
    Er lachte. »Du wirst toll sein. Wie immer.« ■
    Sie gingen weiter, schneller jetzt.
    »Ich war gerade zweiundzwanzig«, sagte sie. »Auf
mich stürmten so viele neue Erfahrungen ein, so viele Gefühle, mit denen ich
nicht umgehen konnte. Deshalb kapselte ich mich einfach ab. Ich weiß nicht, was
mich mehr empörte, daß Terri ein Verhältnis mit Rog hatte oder daß ich nichts
davon wußte. Ich hatte Terri gern. Aber hier waren zwei Kinder im Spiel.«
    »Und wenn Terri mit beiden etwas gehabt hätte,
mit Battle und Koenig?«
    »Das hätte Leslie Wetzon, Nachwuchstänzerin in
ihrer ersten Broadwayshow, schockiert, aber achtzehn Jahre später — warum
nicht?«
    »Natürlich könnte es so gewesen sein, und Koenig
wird es uns selbst erklären müssen. Aber mein Gefühl sagt mir, daß er nicht
lügt.«
    »Du lieber Gott, Silvestri, habe ich gesagt, daß
ich naiv war? Wenn nun Terri vorgehabt hätte, mit Rog durchzubrennen,
und Medora es herausbekommen und sie erschossen hätte?«
    »Und was ist mit Rog? Hat sie auch ihn getötet?«
    »Möglich wäre es. Möchtest du nicht versuchen,
die Leiche exhumieren zu lassen?«
    »Zuerst will ich noch ein ungezwungenes Gespräch
mit Medora Battle führen und sehen, was ich aus ihr herausholen kann. Möglichst
bevor sie einen Anwalt zuzieht. Ich kann leicht feststellen lassen, auf welchem
Friedhof er begraben ist.«
    »Ihr Tacoma Triptych hat in vier Wochen
Premiere. Und Combinations demnächst. Wenn sie etwas von deinem Vorhaben
ahnt, wird sie versuchen, dich daran zu hindern.«
    »Mich hindert man nicht so leicht.«
    Der Broadway glich einem Wald aus Nadelbäumen in
unterschiedlichen Größen und Formen. Auf dem Platz im Lincoln Center, das im
Lichterglanz erstrahlte, funkelte ein besonders großer Baum, den Beverly Sills
am Montag eigenhändig angezündet hatte.
    »Ich habe gesagt, daß es erneut passiert ist?«
Wetzons Augen tränten.
    »Stimmt.«
    »Weil es schon einmal passiert ist.«
    Sie seufzte.
    »Ich war zum erstenmal von zu Hause fort, gerade
erst siebzehn. Meine Zimmerkameradin im College brachte heimlich Jungs mit ins
Zimmer. Dann zog ich die Decken über den Kopf und tat so, als könnte ich nichts
hören«
    »Weshalb du die Erinnerung an Terri und Rog Battle
verdrängt hast.« Silvestri zog schnuppernd die Luft ein. »Riecht nach Schnee.«
    »Mhm.«
    »Möchtest du einen Baum haben?«, fragte er
beiläufig.
    Sie schloß die Augen, hob herausfordernd den
Kopf und sah ihn an.
    »Wir? Du und ich? Einen Baum... zusammen?«
    Diesmal war er an der Reihe: »Mhm.«
    »Das ist sehr tapfer von dir, Silvestri.
Zusammen einen Baum aussuchen? Hmmmm. Bist du dir sicher, daß du diese
Verantwortung auf dich nehmen willst? Das ist ja fast wie eine Verlobung.«
    Er faßte ihr zärtlich unters Kinn. »Manchmal ist
ein Baum einfach ein Baum.«
    Mit Hilfe einer jungen Frau mit näselndem
australischem Akzent, die ihr Angebot vor einem Supermarkt aufgestellt hatte
und wahrscheinlich dem Filialleiter einen Anteil an jedem verkauften Baum
bezahlte, entschieden sie sich für eine üppige Tanne, etwa so hoch wie Wetzon.
Silvestri handelte die Tanne auf vierzig Dollar herunter, schwang sie auf die
Schulter und trug sie nach Hause.
    »Den Ständer findest du in einem Plastikbeutel unterm
Bett. Puste einfach die Staubschicht fort«, riet ihm Wetzon.
    Das Telefon läutete, als sie Kaffee in den
Papierfilter löffelte. »Hallo?« Sie klemmte den Hörer zwischen Schulter und
Ohr.
    Sofort erkannte sie die Geräusche, die sie
begrüßten. Der Lärm hinter der Bühne. Herrlich für das Ohr eines
Theatermenschen. Anders als sämtliche anderen Hintergrundgeräusche. »Hallo,
Leslie, Peter hier. Kannst du mich verstehen? Hier ist es so laut.«
    »Du rufst aus dem Theater an. Was erwartest du?«
Sie warf einen Blick auf die Uhr. Noch dreißig Minuten, bis der Vorhang
aufging.
    »Ich habe nur eine Minute. Eben habe ich
versucht, diesen Silvestri zu erreichen, aber falls er jetzt anruft, kann ich
mich nicht mehr mit ihm unterhalten. Hast du die Sitzung bei McLean hinter dir?«
    »Ja.« Sie war auf der Hut. Hinter sich hörte sie
Silvestri mit dem Baumständer vorbeipoltern.
    »Ist dir etwas eingefallen?«
    »Kleinigkeiten. Nichts Bestimmtes, fürchte ich.«
Das Wasser begann zu kochen, und sie goß es in einen Meßbecher und von da in den
Filter.
    »Also hör zu. Ich werde schnell sprechen.
Während meiner Sitzung sah ich einen

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