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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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privaten Tag
nehmen konnte, dann konnte Wetzon das auch. Sie würde es am Nachmittag tun.
    Die Tür ging auf. »Wetzon?«
    »Ja, Max?«
    »Anruf für dich. Norman Mizrachi.«
    Was für ein sonderbarer Tag! Norman Mizrachi war
ein ultraorthodoxer jüdischer Börsenmakler. Er trug eine Jarmulke, und die
Fransen seines Gebetsschals sahen unter seinem Jackett vor. Seit mindestens
zwei Jahrzehnten war er bei Bruns Securities. Dies war eine Premiere; er hatte
sie noch nie angerufen, und sie war überrascht, daß er überhaupt ihre Nummer
kannte. »Tag, Norman«, sagte sie in den Hörer.
    »Wetzon.« Sein mühsames Atmen hörte sich sehr
nach Asthma an. »Sie wissen, daß ich nie begriffen habe, warum ein Makler einen
Headhunter brauchen könnte.«
    »Das haben Sie mir oft genug gesagt.«
    »Ich verstehe es auch jetzt nicht, aber im
Moment habe ich keine Zeit, mich selbst darum zu kümmern. Nächste Woche
verheirate ich meine Tochter...«
    »Herzlichen Glückwunsch.« Genau aus diesem
Grund, du Dickschädel, brauchen Makler Headhunter. Zeit war die wertvollste
Ware an der Wall Street.
    »Ich könnte einen dicken Scheck gebrauchen. Sie
wissen, was dort draußen los ist.«
    »Sie bekämen einen dicken Scheck, Norman, aber
warum wollen Sie so plötzlich gehen? Es muß mehr als ein dicker Scheck sein.
Sie sind seit über zwanzig Jahren bei Bruns.«
    »Zweiundzwanzig Jahre, Wetzon, aber die Firma
hat sich verändert.«
    »Das wissen wir. Die Wall Street hat sich verändert.«
    »Ich will Ihnen was sagen, Wetzon, als Marty
Donnelly diese Firma leitete, schickte er allen seinen
Millionen-Dollar-Produzenten zu den Feiertagen eine Flasche besten Scotch.
Wissen Sie, was Logan Wickersham uns geschickt hat? Sogar direkt ins Haus?«
    »Neiiin.«
    »Einen riesigen Schinken.«
    »Unglaublich.«
    »Doch. Einen Schinken. Und ich brauche Ihnen
nicht zu sagen, daß ich nicht der einzige jüdische Makler bin, der über eine
Million macht.«
    »Okay, Norman. Lassen Sie mich rasch ein paar Fragen
stellen nach Ihrem Geschäft und nach der Umgebung, die Ihnen am angenehmsten
wäre, dann gehe ich weg, um häusliche Dinge zu erledigen, und rufe Sie später
wieder an.«
    Sie machte sich noch Notizen über das Gespräch,
nachdem sie aufgelegt hatte. Es war erstaunlich. In den Chefetagen der Wall
Street ärgerte man sich immer noch darüber, Headhunter bezahlen zu müssen,
trotzdem hatten sie keine Ahnung, wie sie ihre Broker bei Laune halten konnten.
Es sah so aus, als würde sie noch eine Weile im Geschäft bleiben. Falls sie
wollte.
    Sie probierte es noch einmal bei Smith. Keine
Antwort. Sich reckend schaute sie durch die hinteren Fenster hinaus auf den
winterlichen Garten. Mr. Diamontidou, der Hausverwalter, hatte jeden Baum und
Strauch mit winzigen Lämpchen behängt. Zuviel des Guten? Vielleicht. Aber es
sah hübsch aus.
    Die ganze Geschichte um Terris schrecklichen Tod
hatte sie verunsichert. War sie schlafwandelnd durch ihr Leben gegangen?
Schlafwandelte sie noch immer? Carlos. Er wußte, wie er sie aus ihren Stimmungstiefs
herausholen konnte. Sie wählte seine Nummer, erreichte aber nur seinen
Beantworter, auf dem sie keine Nachricht hinterließ.
    Gleich darauf schlenderte sie hinüber zu Saks
und verwandelte sich in einen wahren Kaufteufel. Ein maulwurfsgrauer Chenilleschal
für Laura Lee, ein schwarzer Chenillepullover mit Silberfäden für Smith.
Cashmerepullover für Mark und Silvestri. Carlos wollte wuschelige Ohrschützer;
er bekam welche aus weißem Nerz, für den Mann, der alles hat. Handschuhe für
Arthur. Das dauerte nur eine halbe Stunde. Es dauerte eine weitere halbe
Stunde, eine Verkäuferin zu finden, bei der sie bezahlen konnte.
    Rüber zu Barnes & Noble. Sie erkundigte
sich bei einem jungen Verkäufer nach der Biographie von Joseph Papp.
    »Wer ist Joseph Papp?« fragte er.
    Das war nun wirklich deprimierend. » Sic
transit gloria mundi «, murmelte sie. Der Verkäufer starrte sie an, als wäre
sie ein Fall für die Klapsmühle. »Ein kleiner lateinischer Sinnspruch«,
erklärte sie. Das schien nur zu beweisen, daß sein Urteil über sie richtig war,
also ließ sie ihn stehen, und es gelang ihr, das Buch unter einer Menge anderer
Theaterbücher selbst zu finden. Die Biographie von Winchell war ideal für
Arthur, und sie dachte, Stephen Hunters Dirty White Boys könnten
Silvestri gefallen, obwohl es ein Roman war. Sein letzter, Point of Impact, hatte beiden gefallen.
    Mit Paketen beladen ging sie zu Saks zurück und
zu der

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