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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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meine Güte, wie schafft Ann Miller das
noch?«
    »Sie hat nie pausiert und hat nie beschlossen, daß
es lustiger wäre, vergiftete Blasrohrpfeile und eine giftige Partnerin
aufzulesen und an der Wall Street auf Menschenjagd zu gehen.«
    »Ach, sei still. Du weißt, aus mir wäre nie eine
Ann Miller geworden. Ta-da.« Sie schloß mit einem Sprung, Schritt, Schritt,
Aufstampfen. Schweiß rann über ihr Gesicht, kräuselte ihr Haar. Sie wischte ihn
mit ihrem Handtuch ab. »Du siehst einen alternden Körper vor dir.«
    »Hör auf zu jammern. Gehen wir es noch einmal
durch.«
    »Du bist ein Sklaventreiber. Können wir uns
nicht ein Weilchen ausruhen?«
    Carlos schaltete das Band aus, und Wetzon
schlurfte zu ihrer Sporttasche und zog eine Flasche Evian heraus. Sie nahm
einen langen Schluck und bot sie Carlos an. Er trank, schraubte sie zu und gab
sie zurück.
    »Da capo«, sagte er. »Es kommt alles wieder, du
wirst schon sehen...«
    »Aber kommt es rechtzeitig wieder? Und erlebe
ich es noch?« Carlos war so gut in Schuß, in so guter Tanzform, daß man sein
Alter nur an den charaktervollen Fältchen um seine Augen ablesen konnte.
    »Du wirst schon sehen.« Er packte sie und zog
sie in einem derben Walzer mit sich durchs Studio. Wetzon keuchte, als sie
endlich anhielten.
    »Du bist ein liebenswerter Teufel!« Sie umarmte
ihn, und er hob sie hoch und wirbelte sie herum. Als er sie absetzte, begannen
ihre Füße zu steppen.
    »Ich liebe dich auch, Häschen.« Er küßte sie und
schaltete das Band an. »Aber jetzt bist du wieder dran. Gib dir Mühe.«
    Dieses Mal erinnerte sie sich an mehr — oder
eher waren es ihre Füße — , und in der zweiten Stunde war sie wieder drin. Nun
brauchte sie nichts mehr zu tun, als die Kanten abzuschleifen und sich mit der
ganzen Begeisterung und Energie der jungen Leslie Wetzon, Tänzerin, eben mit
dem College fertig und Mitglied einer richtigen Broadwayshow auf die Herausforderung
einzulassen.
     
    »Hast du Peter Koenig damals gekannt?« fragte
Wetzon. Carlos und sie saßen im Rumpelmayer’s an der Theke und löffelten
frische Schlagsahne in ihre heiße Schokolade.
    »Nur daß man sich gegrüßt hat. Er hat sich immer
an Terri gehängt, aber daß sexuell was zwischen ihnen war, habe ich nie
mitbekommen.«
    »Das ist komisch. Ich auch nicht.« Die
Schokolade war so dick, daß sie an ihrem Löffel hängenblieb. »1977 ist er ans
Repertoiretheater in Seattle gegangen, und jetzt ist er wieder in New York und
spielt eine der Hauptrollen in Tacoma Triptych. Er hat mich wegen Terris
Telefonnummer angerufen.«
    »Du meinst, er hatte seitdem nie Kontakt mit
ihr?«
    »Das wäre wohl schwierig gewesen. Sie war ja
inzwischen ein bißchen tot.«
    »Vielleicht brachte er sie um und sichert sich
ab, weil er von dem Skelett im Koffer gelesen hat.«
    »Kann sein. Aber ich interessiere mich mehr
dafür, warum Terri in Poppy Hornbergs Singleapartment gewohnt hat.«
    »Das ist doch einfach. Poppy hat es eben
weitervermietet.«
    »Waren Poppy und Mort damals zusammen?«
    »Ich glaube nicht, allerdings kannten sie sich
wahrscheinlich. Poppy wollte in den Verband der Bühnenkünstler aufgenommen
werden. Sie versuchte, Boris oder Ming oder Oliver zu überreden, sie als
Assistentin zu beschäftigen. Ihre Eltern hatten Geld, so daß es nicht ums
Gehalt ging. Ich glaube, sie kam schließlich bei Tony Walton unter, als er in
Morts erster Show mitwirkte, aber es dauerte nicht lange. Dann bekam sie Mort
zu fassen, und das war’s dann. Das mit der Wohnung ist wahrscheinlich einfach
Zufall, Häschen. Wie das eben so läuft.«
    »Danke bestens.« Wetzons Endorphine begannen
sich zu aktivieren: ein anstrengendes, schweißtreibendes Training, gefolgt von
heißer Schokolade, umgeben von den restaurierten Art-Deco-Mosaiken des alten
Restaurants — das alles brachte sie ins Träumen. »Ich treffe mich mit Peter auf
einen Drink. Silvestri spricht heute mit ihm, und ich treffe ihn morgen abend
nach der Vorstellung bei Joe Allen.«
    »Allein?«
    »Warum nicht?«
    »Warum nicht, du Unschuld? Weil er ein Mörder
sein könnte.«
    »Bleib auf dem Boden. Falls Peter Terri ermordet
hat, wird er gewiß nicht mich an Joe Allen’s überfüllter Bar zwischen all den
Touristen um die Ecke bringen.«
    Carlos trank den Rest in seiner Tasse aus. »Ich
zögere zu fragen, aber weiß El Silvestri, daß du dich mit Peter triffst?«
    »Ich habe ihn nicht um Erlaubnis gebeten, falls
du das meinst. Und ich brauche auch keinen Begleiter«,

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