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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Freikarteninhaber suchten normalerweise möglichst schnell
das Weite, wenn das Stück zu Ende war, doch diese Gruppe blieb. Sie warteten
auf Peter, applaudierten stehend und rannten dann erst los.
    Ein wenig neugierig war sie doch auf den Autor
von Tacoma Triptych, der sich M. B. Garfield nannte. Die Zeitschrift New
York hatte einen anregenden kurzen Artikel gebracht und versprochen, die
Identität des Autors nach der Premiere aufzudecken. Wetzon lächelte. Vermutlich
war es Joyce Carol Oates. Mrs. Oates war so produktiv, daß es schon beinahe
peinlich war.
    Wetzon musterte die Leute auf den Stehplätzen.
Jeder dort hinten konnte der Autor oder die Autorin sein, denn für sie waren
alle fremd. Alle bis auf den ungeschlachten, gewaltigen Ed Venderose, den
Generalintendanten. Ed war ihr als Assistent mit volltönender Stimme in
Erinnerung geblieben, der seinen Spaß an seiner Meinung nach frauenfeindlichen
Witzen hatte, als Wetzon noch Tänzerin gewesen war. Sie sah seinen Blick über
das Parkett huschen, über sie hinweggehen, dann zurückschwenken. Er versuchte
sie unterzubringen, und sie wandte sich schnell ab.
    Nach dem letzten Vorhang begann sich die Gruppe,
die im hinteren Teil des Hauses stand, zu zerstreuen. Während Wetzon den
Mittelgang hinaufging, dachte sie wieder an Terri, ihre Knochen, den grinsenden
Schädel — all das, was von dem süßen Gesicht geblieben war. Sie blieb stehen,
um die Baskenmütze sorgfältig über ihren Ballerinenknoten zu ziehen. Ein
geflüsterter Kraftausdruck veranlaßte sie, sich umzudrehen, gerade noch
rechtzeitig, um eine hochgewachsene Gestalt zu bemerken, die sich große Mühe
gab, aus Wetzons Blickfeld zu verschwinden. Das Gesicht der Frau war zwar durch
einen Schlapphut verborgen, aber doch nicht völlig, so daß Wetzon erkennen
konnte, wer es war.
    »Medora!«
    Medora sah verdrossen aus. Sie spielte mit dem
Gürtel ihres lohfarbenen Trenchcoats. Wie Rog, ihr verstorbener Mann, war
Medora Battle ein ausgesprochen hellhäutiger Typ, der in jeder Schar von
Mitgliedern der Episkopalkirche untertauchen konnte, aber nicht in einem
Theater, wo man ethnische Vielfalt gewohnt war. Ihre blaßblauen Augen ruhten
kurz auf Wetzon, dann huschten sie weg, als hätte Wetzon sie beim Griff in die
Kasse ertappt. »Leslie«, sagte sie. »Ich kann jetzt nicht...«
    »Ah, Leslie Wetzon, dachte mir doch, daß ich Sie
erkannt habe!« Ed Venderose versperrte ihr den Weg. »Was machen Sie denn hier?«
Erwartete die Antwort nicht ab. Mit der puren Kraft und Breite seines mächtigen
Bauches schob er sie nach draußen.
    Bevor Wetzon Gelegenheit hatte, auf ihn
einzureden oder einzuschlagen, befand sie sich auf der Straße vor dem Theater
mitten im Gedränge. Und sowohl Venderose als auch Medora waren verschwunden.

MEMORANDUM
    An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
    Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
    Datum: 22. November 1994
    Betr.: Combinations in concert
     
    Haltet bitte Montag, den 28., fünf Uhr, für eine
Produktionsbesprechung in Morts Büro frei. Wir haben einiges zu klären,
darunter die Frage, ob es eine dritte Aufführung geben sollte, besonders für
die Fernsehaufzeichnung.
     
    Joel Kidde und Xenia Smith, die Combinations mit Mort fürs Fernsehen
produzieren, nehmen möglicherweise ebenfalls teil.
     
     

22.
Kapitel
     
    »Häschen, hast du den Brief gesehen?«
    »Ja.«
    »Wie ich höre, bist du mies gelaunt.«
    »Du nicht?«
    »Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie
die Barrakudadame sich in unser Projekt eingeschlichen hat.«
    »Du hättest sie all die Jahre als Partnerin
haben sollen. Dann müßtest du so eine Frage nicht stellen.«
    »Nein, jedenfalls vielen Dank, Schatz.«
     
    Wetzon, wütend auf sich, daß sie Venderose
keinen Tritt verpaßt hatte, ging hinüber ins Joe Allen. Für wen hielt sich Ed
eigentlich? Sie würde ein paar knappe, aber deutliche Worte über seine
Mitwirkung bei Combinations mit Mort reden. Wer wohl diesen gescheiten
Einfall gehabt hatte?
    Und was zum Teufel war in Medora Battle
gefahren? Es war, als ob sich die ganze Welt in einem unheimlichen, tödlichen
Tanz drehte.
    Sie setzte sich an das hintere Ende der dunklen
Bar und bestellte ein Bier. Wegen der Bar kamen noch immer einige Stammgäste,
aber das eigentliche Restaurant war ständig voller Touristen, die annahmen, das
Joe Allen — dessen Wände mit Plakaten durchgefallener Shows, von denen sie in
einigen getanzt hatte, bedeckt waren — sei eines der beliebtesten Speiselokale
der

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