Der letzte Vorhang
fügte sie gespielt
hochnäsig hinzu.
»Gott steh’ uns bei, sie wird langsam high.«
Carlos zog eine Augenbraue hoch und kniff das andere Auge zusammen. »Mädchen,
ich fühle mit dem armen Kerl.«
Sie mußte lachen. »Mit wem, Peter Koenig?«
»O nein. Mit einem, der mein Mitgefühl viel
nötiger hat.«
»Wer denn?«
»Silvestri. Der arme Kerl. Es muß ein bißchen sein,
als lebte man mit Miss Marple zusammen.«
Sie warf ihre Serviette nach ihm. »Mach nur so
weiter, wenn es dir Spaß macht. Sie werden mit Poppy reden, aber den
Times-Artikel haben sie nur lanciert, weil sie versuchen wollen, den Mörder aus
der Deckung zu locken.«
»Uuh, was für eine professionelle
Ausdrucksweise. Woher hast du die?«
»Osmose«, sagte sie naserümpfend. »Alle,
eingeschlossen alle von Combinations, werden zu Morts Thanksgiving-Party
kommen.«
»Und sie werden alle über Terri reden«, sagte
Carlos und schüttelte den Kopf. »Mädchen, Mädchen.«
»Es war kein zufälliger Mord, Carlos. Dafür war
alles zu ordentlich. Die Kugel im Kopf, die Leiche in ihrem eigenen gepackten
Koffer, der in den Keller gebracht wurde.«
Er hörte auf, die Schokolade von seinem Löffel
zu lecken. »Moment, Häschen, willst du andeuten, daß...«
»Ja. Silvestri und Nina Wayne — sie ist die
Gerichtsanthropologin — glauben, daß Terris Mörder jemand war, den sie gut
kannte. Vielleicht jemand, den wir alle gut kannten... kennen.«
MEMORANDUM
An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
Datum: 22. November 1994
Betr.: Combinations in concert
Beigefügt ist ein neues Budget, aber es gibt
noch immer eine Menge Löcher. Ed Venderose wird jetzt, nachdem er zu uns
gestoßen ist, alles durchgehen. Er sagt, daß wir bei der Zahl der
Bühnenarbeiter das Budget überschreiten. Ich weiß, daß diese Zahlen revidiert
werden können, aber ich meine, wir sollten damit bis zu unserer Besprechung am
28. November warten. Laßt mich wissen, was Ihr davon haltet.
Bis dann auf Morts Party.
21.
Kapitel
»Carlos, Lieber — Ed Venderose, erinnerst du dich an ihn?«
»Natürlich. Er gedieh vom vertrottelten
Assistenten zum Generalintendanten am Broadway. Das ist schon eine tolle Laufbahn.«
»Er ist ein Wurm, ein Lustmolch, ein Ekel.«
»Aber wenn er ein guter Generalintendant ist,
spielt das doch keine Rolle, meine süße Giftspritze.«
»Grrrrr.«
Anstatt nach Hause zu fahren und später wieder zurückzukommen,
um Peter Koenig zu treffen, ging Wetzon in letzter Minute aus einer plötzlichen
Laune, heraus zur Kasse des Booth und kaufte eine Karte für die erste
Voraufführung von Tacoma Triptych. Die Schlange war kurz — alle warteten
auf eine Voraufführung, die näher bei der Premiere lag, wenn die Show
eingespielt war — , und es gab noch zahlreiche freie Plätze im Parkett. Dann
ging sie zu Ollie’s hinüber, um einen Teller süßsaure Suppe und eine Portion
Schweinerippchen zu essen. Sie war müde, und jeder Muskel, jedes Gelenk
beschwerte sich. Keine Ausflüchte mehr; sie würde wieder regelmäßigen
Unterricht nehmen müssen.
Leider hatte sie keine Ahnung, was bei
Silvestris Treffen mit Peter Koenig passiert war. Silvestri hatte in seiner
eigenen Wohnung übernachtet. Als sie von der Probe mit Carlos nach Hause
gekommen war, hatte sie eine Nachricht von ihm vorgefunden, die nur dies
mitteilte. Keine Erklärung.
Sollte man nicht meinen, sann sie nach, während
sie das rosa Fleisch von der Rippe schälte, daß er sagen würde, warum? Wie wäre
es, wenn er gesagt hätte: »Les, ich muß heute nacht aus diesem oder jenem Grund
in Chelsea bleiben, aber ich liebe dich und vermisse dich, Schatz?« Klar.
Darauf kannst du lange warten, Kleine. Und wenn er es täte, wie lange würde es
dann dauern, bis sie das Interesse verlöre?
Beinahe hätte sie laut gelacht. Das nicht ganz
Erreichbare besaß mehr Reiz. Ein Oberkellner führte ein Paar vorbei, die Frau
umwehte ein Duft von L’Air du Temps. Terri Matthews, die das gleiche Parfüm
benutzt hatte, erschien vor Wetzon wie der Geist von Hamlets Vater. Hat mich
niemand vermißt? Es tut mir so leid, Terri, dachte sie. Ich stehe in deiner
Schuld. Sie blickte auf den kleinen Haufen sauberer Knochen und schob den
Teller beiseite. Was war los mit ihr? Sie bezahlte die Rechnung, ging zur
Toilette und schrubbte sich die Hände.
Ein frischer Wind fegte durch die Shubert Alley
und jagte die Leute in die Foyers der anstoßenden Theater —
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