Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Bankkassierer noch gegen den Nachbarn des Opfers.«
»Obwohl Sie seit dem frühen Morgen ermitteln. Wenig effizient, gemessen am Zeitaufwand.«
LaBréa spürte, wie Wut in ihm hochstieg. Doch er beherrschte sich. Er kannte seinen Vorgesetzten. Seit seinem Dienstantritt bei der Brigade Criminelle war LaBréa das Ziel ständiger Kritik seitens des Direktors. Damit musste er leben, solange Roland Thibon nicht die Karriereleiter nach oben kletterte und versetzt wurde.
»Wir bemühen uns nach Kräften, Monsieur«, sagte er in ruhigem Ton und blickte in Thibons hellgraue Augen, die kühl und unpersönlich wirkten. »Aber etwas mehr Zeit müssen Sie uns schon geben.«
Thibon lächelte süffisant und steckte seine Hand in die Hosentasche.
»Zeit ist das Allerkostbarste, was wir in unserem Beruf haben. LaBréa. ›Komme, was kommen mag, die Stunde rinnt auch durch den rausten Tag.‹ Shakespeare, Hamlet.« Zufrieden blickte er in die Runde. Jean-Marc hob zaghaft einen Finger und sagte: »Macbeth, Monsieur le Directeur.«
»Was?« Thibon funkelte ihn an.
»Das Zitat stammt aus Macbeth, nicht aus Hamlet.«
»Was erlauben Sie sich! Das ist doch...« Thibon blicke den Paradiesvogel empört an. »Kümmern Sie sich lieber um Ihre eigenen Angelegenheiten.« Er straffte sich, rückte seine Krawatte zurecht und verließ hoch erhobenen Hauptes LaBréas Büro.
Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeknallt, fingen alle lauthals an zu lachen.
»Sag mal, du bunter Kakadu«, wandte Franck sich an Jean-Marc. »Seit wann kennst du dich denn mit solchen Sprüchen aus?«
Jean-Marc hob die Augenbrauen und erwiderte betont von oben herab: »Im Unterschied zu dir, mein Lieber, gibt es eben noch Leute, die sich für Kultur interessieren.«
»Von wegen Kultur! Wenn irgendwas völlig kulturlos ist, dann deine zusammengewürfelte Kluft. Da hat der Schöngeist nicht ganz Unrecht!«
Bevor der Paradiesvogel etwas erwidern konnte, mischte LaBréa sich ein.
»Schluss jetzt, ihr beiden! Wir haben keine Zeit für solche Plänkeleien. Also, Claudine, was haben die Kollegen in den beiden Mordfällen im 13. und 19.Arrondissement seinerzeit ermittelt?«
Claudine zog zwei dicke Akten heran, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Ein Bote hatte sie vor einer knappen Stunde aus dem Archiv gebracht. Dann schlug sie ihr Notizbuch auf.
»Ich habe einige der Vernehmungsprotokolle und die Autopsieberichte gelesen und mich mit dem biografischen Hintergrund der beiden Opfer vertraut gemacht. Ich fasse das mal kurz zusammen.
Annie Normand, fünfundsechzig Jahre, eine ledige, pensionierte Staatsbeamtin, wohnhaft Rue de la Colonie im 13. Arrondissement, wurde im Januar 2003 in ihrer Wohnung von einer Nachbarin tot aufgefunden. Die Nachbarin hatte einen Schlüssel, und als Annie Normands kleiner Dackel stundenlang kläffte, fand sie das eigenartig und wollte nach dem Rechten sehen. Da entdeckte sie die tote Annie Normand. Sie war am Vortag zwischen achtzehn und zwanzig Uhr mit der Verlängerungsschnur ihres Bügeleisens erdrosselt worden. Ihr Portemonnaie fehlte, sowie zehntausend Euro, die sie wenige Stunden vor ihrem Tod von ihrem Konto bei der Bank Credit Agricole abgehoben hatte. Die Frau lebte allein und hatte kaum Kontakt zu ihren Nachbarn. Es gab keine Zeugen, keine heiße Spur, nicht einmal Fingerabdrücke. Unter den Fingernägeln der Frau wurden fremde Hautpartikel sichergestellt, deren DNA im Zentralcomputer der Polizei nicht gespeichert war.
Ich habe aber jetzt veranlasst, dass diese Probe auf jeden Fall mit der DNA verglichen wird, die auf dem Seidenschal von Griseldis Geminard gefunden wurde«, fügte Claudine hinzu. »Wir warten auf das Resultat.«
»Sehr gut, Claudine.«
»Beim zweiten Fall handelte es sich um die ehemalige Krankenschwester Leonore Foures, zweiundsiebzig Jahre, die in einer kleinen Villa gleich unterhalb von Sacre Cœur wohnte, in der Rue Ronsard. Im August 2006 fand ihre Nichte sie tot im Schlafzimmer. Der Mörder hatte sie mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Die Mordwaffe wurde nie gefunden. Léonore Foures hatte einige Jahre zuvor eine größere Erbschaft gemacht. Sie war verwitwet und kinderlos. Wenige Tage vor ihrer Ermordung hatte sie von ihrem Konto bei der Bank Societe Generale achttausend Euro abgehoben, die spurlos verschwunden waren. Ihre Nichte, die zunächst in Verdacht geriet, konnte für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi vorweisen. Auch hier gab es weder Zeugen noch verwertbare Spuren. Fremde DNA konnte
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