Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
nach. »Noch
eine Frage zu der Freundin oder Bekannten von Madame Geminard, dieser Emily Baker. Wann haben Sie sie das letzte Mal hier gesehen?«
Henri Buffon überlegte.
»Das ist schon eine Weile her. Länger als ein Jahr, glaube ich.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum sie so plötzlich nicht mehr kam? Hat die Concierge irgendetwas erzählt?«
»Nein. Ich habe auch nicht gefragt. Das Privatleben anderer interessiert mich nicht.«
Er sagte dies im Brustton der Überzeugung. LaBréa musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
»Ich glaube, Madame Baker hat in Neuilly gewohnt«, fügte der alte Mann hinzu. »Ich meine, die Concierge hätte so etwas mal erwähnt. Aber sicher bin ich nicht.« Er blickte auf seine Uhr. »Schon gleich sechs. Ich muss jetzt wirklich los, meine Herren. Wenn Sie Bridge kennen, wissen Sie, dass immer zwei gegen zwei spielen, und dass der vierte Mann dringend gebraucht wird.« Er stand auf und blickte die Beamten auffordernd an.
LaBréa erhob sich ebenfalls.
»Vielen Dank, Monsieur«, sagte er und gab Henri Buffon die Hand, die dieser nur zögernd nahm. Sein Händedruck war feucht und schlaff. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, hier ist meine Telefonnummer.« LaBréa zog seine Visitenkarte aus der Tasche.
»Mal sehen, ob er wirklich seinen Bridgeabend hat«, meinte LaBréa, als sie auf der Straße standen. »Oder ob er uns nur möglichst schnell loswerden wollte.«
Sie setzten sich in Francks Wagen, der einige Meter entfernt geparkt war. Franck beobachtete den Hauseingang durch den Rückspiegel. Wenig später sagte er: »Er verlässt tatsächlich das Haus und geht in die entgegengesetzte Richtung. Ein komischer Vogel ist er schon. Das ist mir schon heute Morgen aufgefallen.«
Jean-Marc pflichtete ihm bei. »Ja. Und außerdem habe ich den Eindruck, dass er mehr weiß, als er uns sagt.«
8. KAPITEL
D raußen verblasste allmählich der Tag. Ein hell orangefarbener Himmel hatte die Stadt kurzzeitig mit einem Schimmer von mildem Septemberlicht übertupft. Jetzt zogen von Süden her dunkle Wolkenfelder auf. Bald würde es erneut regnen.
Die Talkrunde begann mit einer halben Stunde Verspätung. Kaum hatten LaBréa und seine Mitarbeiter sich in LaBréas Büro versammelt, wurde die Tür geöffnet, und Direktor Thibon betrat den Raum. Ohne zu grüßen, blickte er kurz in die Runde, bis sein Blick an Jean-Marc hängen blieb. Mit seinen grün-gelb gestreiften Jeans, einem lila Sweatshirt, auf dem eine fliederfarbene Mickymaus prangte, sah der Paradiesvogel aus wie ein Nachzügler der Flower-Power-Bewegung. Seine blond gefärbten Haare, ausnahmsweise einmal nicht gegelt, zierte eine lila Strähne im gleichen Farbton wie das Shirt. Thibon seufzte und verzog ein wenig angewidert das Gesicht.
»Mein Gott, Leutnant! Heute überbieten Sie sich ja wieder selbst in Ihrer eitlen Aufmachung. Wie hat Jean-Jacques Rousseau einmal sehr treffend gesagt? ›Außer der Eitelkeit gibt es keine Dummheit,
von der der Mensch nicht geheilt werden könnte.‹ Ich gebe es also auf, darauf zu hoffen, dass Sie irgendwann einmal in einem normalen Aufzug zum Dienst erscheinen.« Er wandte sich an LaBréa. »Vor einigen Jahren hätte es so etwas hier nicht gegeben. Aber durch Multikulti, Globalisierung und den Verlust jeglicher moralischer Werte ist heutzutage eben alles möglich.«
LaBréa, der nicht wusste, was Jean-Marcs Outfit mit all diesen Dingen zu tun hatte, konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen. Er vermied es, seine Mitarbeiter anzusehen, denen es wohl ähnlich erging. Im Übrigen wunderte sich LaBréa, dass sein Vorgesetzter sich an einem Sonnabend ins Präsidium verirrte, noch dazu um diese Zeit. Thibon lieferte sogleich die Begründung dafür.
»Der Polizeipräfekt hat für heute Abend kurzfristig ein Meeting mit den Leitern aller Abteilungen angesetzt. Ich wüsste also gern, was ich ihm aus meiner Abteilung berichten kann. Wie weit sind Sie in der Mordsache der alten Dame?«
LaBréa räusperte sich und teilte ihm die wichtigsten Fakten mit. Dabei erwähnte er nicht die beiden unaufgeklärten, ähnlich gelagerten Fälle, die zwei und drei Jahre zurücklagen. Er wollte zunächst Claudines Bericht abwarten.
Direktor Thibon schien nur mit einem Ohr zuzuhören und winkte rasch ab.
»Schon gut, LaBréa. Ihren Ausführungen entnehme ich, dass Sie noch keinen Täter präsentieren können.«
»Leider nicht, Monsieur le Directeur. Bisher liegen keine konkreten Verdachtsmomente vor. Weder gegen den
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