Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
aufgetragen, der Schnitt ihrer kurzen Haare schien das Werk eines fähigen Friseurs. Eine leichte Parfümwolke umgab die Frau, die eher als Directrice in ein Edelkaufhaus zu passen schien als in das Häuschen einer Concierge.
Sie bat LaBréa einzutreten. Ihre Wohnung war klein und ziemlich dunkel, was Eloïse Chabrier mit hellen Holzmöbeln zu kompensieren versuchte. Über den gewaltsamen Tod von Griseldis Geminard war sie bereits unterrichtet. Als sie vor einer knappen Stunde nach Hause gekommen war, hatte sie Monsieur Buffon getroffen, der einen Müllbeutel zu den Tonnen im Hof brachte. Sie zeigte sich erschüttert.
»Eine fürchterliche Geschichte! Wer bringt eine alte Frau um? Und vor allem, weswegen?«
LaBréa nahm auf einem der Sessel Platz.
»Ich hoffe, dass Sie mir da weiterhelfen können, Madame. Wie lange kannten Sie Madame Geminard?«
Die Concierge setzte sich auf die Couch und schlug die Beine übereinander.
»Ach, seit Ewigkeiten. Schon meine Mutter war Concierge in diesem Haus. Nach ihrem Tod vor fünfzehn Jahren habe ich dann ihren Posten übernommen. Die Geminards sind hier Ende der Sechzigerjahre eingezogen. Später hat Griseldis dann die Wohnung gekauft.«
»Dann kannten Sie doch sicher auch die Tochter, Augustine?«
»Natürlich. Wir waren ja in einem Alter. Ich machte damals, Anfang der Siebzigerjahre, gerade eine Ausbildung zur Stenokontoristin. Augustine hatte nach dem Abitur angefangen zu studieren. Ethnologie, daran erinnere ich mich noch genau. Sie interessierte sich für Indianerstämme und bedrohte Völker. Ein- oder zweimal sind wir auch zusammen ins Kino gegangen. Aber Augustine hatte ja ihren Freundeskreis an der Uni, und der Kontakt schlief allmählich ein.«
»Madame Geminard hatte Ihnen und auch anderen in der Nachbarschaft erzählt, dass Augustine bei dem Terroranschlag in New York um Leben gekommen sei.«
»Ja. Ich war damals total schockiert. Man hat ja so viele Bilder gesehen und konnte sich vorstellen, welch schrecklichen Tod die Menschen gestorben sein müssen. Und wenn man jemanden persönlich kennt, dann hat so etwas noch mal eine völlig andere Dimension.
Griseldis sagte, Augustine habe im Nordturm bei einer großen Bank gearbeitet. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert habe, wieso sie in einer Bank tätig war. Sie hatte doch völlig andere Interessen, als sie nach Amerika ging.«
»Aber Sie haben Madame Geminard diese Geschichte geglaubt.«
Die Concierge blickte ihn erstaunt an.
»Ja, natürlich, wieso denn nicht?«
»Weil sie nicht stimmt. Madame Geminard hat sie erfunden. Ihre Tochter ist nicht bei dem Anschlag ums Leben gekommen.«
Eloïse Chabrier schüttelte irritiert den Kopf.
»Wieso erzählt sie dann so etwas? Eine Mutter erfindet doch nicht einfach den Tod ihrer Tochter?!«
»Wann haben Sie Augustine denn zum letzten Mal gesehen?«
Die Concierge überlegte einen Augenblick.
»Das muss... warten Sie, das war Mitte der Siebzigerjahre. Augustine wollte nach Amerika gehen und dort weiterstudieren. Sie gab hier unten im Hof ein Abschiedsfest für ihre Freunde und die Hausbewohner. Einige Tage später flog sie dann los.«
LaBréa nickte. Augustine Geminard verschwand vor beinahe dreißig Jahren und schrieb ihrer Mutter aus New York regelmäßig Briefe, in denen sie belanglose Dinge mitteilte. Über ihr Privatleben oder was sie beruflich machte, erfuhr man nichts. Als ehemalige
Ethnologiestudentin arbeitete sie laut Aussage ihrer Mutter bei einer Investmentbank, was schon recht seltsam war. Im April 2001 kam ihr letztes Schreiben, und nach dem 11. September verbreitete Griseldis Géminard die Nachricht, ihre Tochter sei bei dem Anschlag ums Leben gekommen. Warum? Was war tatsächlich mit Augustine Geminard geschehen? Und hatte das irgendetwas mit dem Mord an ihrer Mutter zu tun? LaBréa mochte es nicht ausschließen, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, in welcher Weise es relevant sein sollte.
»Ist Augustine Geminard denn irgendwann einmal wieder nach Paris gekommen, um ihre Mutter zu besuchen?«
»Soweit ich weiß, nicht.«
»War sie in den USA verheiratet?«
»Nein. Jedenfalls hat Griseldis das nie erwähnt.«
»Was war Augustine für ein Mensch?«
Eloïse Chabrier dachte einen Moment nach und suchte nach den richtigen Worten.
»Wie soll ich sagen? Man hätte nie gedacht, dass sie aus einer solchen Familie kommt. Sie war damals in den Siebzigern ziemlich flippig. Bunte Kleidung, Jesuslatschen, Henna im Haar, Janis Joplin und diese
Weitere Kostenlose Bücher