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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Außenmaße an den stechenden, nagenden Geist des Wolfs. Die Erinnerung an die Tötung mit Talulla war eine Wurzel, die sich von Hoden bis Hirn festkrallte. Weder Furcht noch Erschöpfung milderten das.
Wolf
ging von diesem Punkt aus los, wanderte umher bis zum Zerreißpunkt, suchte. Sie war hier irgendwo, in der Nähe, irgendwo …
    Kurz nach drei trafen wir unter einem aufgeschichteten Himmel aus Cumuluswolken und silbrigem Blau in Caernarfon ein.

54 .
    Eine Stunde lang konnte ich mehrmals mit Aegis telefonieren, bevor die Batterien von Russells und Wazz’ Handys innerhalb weniger Minuten nacheinander den Geist aufgaben, wie zwei alte Menschen, die es nicht ertragen, ohne einander zu leben. Das Telefon auf dem Zimmer zu benutzen, wage ich nicht. Es ist wahrscheinlich verwanzt, aber es besteht ja auch durchaus die Möglichkeit, dass sie vor der Vorbeifahrt mit Talulla auf dem Apparat anrufen. So oder so habe ich es nicht angerührt.
    Ohne die Telefonate kann ich allerdings nichts anderes tun als warten. Rauchen. Auf und ab gehen. Schreiben. Hinausschauen. Trinken. Ich habe mir eine Flasche Scotch zwischen jetzt und morgen Nachmittag erlaubt. Achtzehn Jahre alter Talisker ist das Beste, was das Castle Hotel zu bieten hatte. Schade, dass ich nicht mit etwas Klassischem abtrete, wenn ich denn nun schon abtreten soll.
    Das Zimmer ist noch genauso, wie ich es in Erinnerung habe. Kommt mir so vor, als sei es zehn Jahre her. Die hochgezogenen weißen Schultern der armen Maddy, ihr Gesicht voll plötzlicher Erkenntnis, obwohl sie doch gesagt hatte: Ist der echt? Der ist doch nicht echt, oder?
    ES WAR NICHT SCHMERZLOS, ES WAR NICHT SCHNELL.
    Harls, tut mir leid, dass ich ein solches Chaos aus deinem Leben gemacht habe. Dass ich dich dein Leben gekostet habe. Doch die Rache kommt, spät, peinlich überfällig, aber sie kommt. Grainer. Dann Ellis. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Tut mir leid, dass die blanke Tatsache dessen, was sie dir angetan haben, nicht ausgereicht hat. Tut mir leid, dass ich dazu erst jemanden lieben musste. Jemand anderen.
     
    Dunkelheit. Ich habe zugesehen, wie das letzte Licht über der Irischen See verloschen ist. Nun sieht man durchs Fenster nur noch die Straße. Kein Anruf.
     
    Das ganze Dasein schnurrt zusammen auf das Warten, dass das Telefon endlich klingelt.
     
    Denke ich an Madeline hier, nagt etwas an mir. Dieser Raum hat dieses Etwas bis an den Rand der Erinnerung gezerrt, schafft es aber nicht, es über die Grenze zu wuchten.
     
    22  Uhr 50 . Noch immer kein Anruf. Es regnet erneut. Ich werde das Fenster aufmachen müssen, um sie besser zu sehen.
     
    Gott sei Dank.
    Ich wollte schon die Hoffnung aufgeben. Kurz nach Mitternacht klingelte das Telefon auf dem Zimmer. Ein älterer Mann war dran, nicht Ellis.
    »Nehmen Sie das Telefon mit ans Fenster. Geschätzte Ankunftszeit zwei Minuten. Legen Sie auf.«
    Die Zeit, so der putzige Vers, ist zu langsam für jene, die warten. Ich öffnete das Fenster. Die zwei Minuten schwollen an, blähten sich auf. Wagen um Wagen, in denen sie nicht saß. Dann hielt auf der anderen Straßenseite ein Van mit verspiegelten Scheiben an. Wieder klingelte das Telefon.
    »Hallo? Lu?«
    »Hören Sie genau zu«, sagte die männliche Stimme. »Sie haben genau dreißig Sekunden. Nicht verhandelbar. Los.«
    Das hintere Seitenfenster des Wagens fuhr herunter – und da war Talullas Gesicht, wach, erwartungsvoll, voll ihrer schnellen Klugheit. Sie konnte nicht ganz ihre Furcht verbergen, doch schon auf den ersten Blick sah ich die Mühe, die sie aufbrachte, um sie nicht durchscheinen zu lassen. Sie lächelte mich an.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Mir geht es gut. Und dir?«
    »Auch. Ich hol dich raus, okay?«
    »Okay.«
    »Es dauert nicht lange, versprochen.«
    »Sei vorsichtig. Du musst vorsichtig sein.«
    »Mach ich. Ich hol dich.«
    »Versprich mir, dass du vorsichtig bist.«
    »Versprochen.«
    »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    »Nichts. Ein Kratzer. Du bist so schön.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch. Und sie haben dir wirklich nichts getan?«
    »Wirklich nicht. Ich vermisse dich.«
    »Wir sehen uns sehr bald.«
    »Ich habe dich den ganzen Tag bei mir gespürt.«
    »Ich dich auch.«
    »Ich wünschte, ich könnte jetzt sofort zu dir.«
    »Himmel, Lu, ich –« Eine Hand in schwarzem Lederhandschuh nahm ihr das Handy weg. Ich sah, wie sie die Kontrolle über ihr Gesicht verlor. ›Ich hätte Tage damit verbringen sollen,

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