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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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nichts weiter als Blutflecken geben, die bewiesen, dass die Sauger hier gewesen waren. Ich ging ins Wohnzimmer, warf ein Stück Holz ins Feuer, zündete mir eine Zigarette an und goss zwei ordentliche Glenlivet ein.
    »Sie sind doch nicht sauer?«, fragte Ellis, als er wieder hereinkam und ich ihm sein Glas reichte.
    »Keinen Gefühlsausbruch, bitte.«
    »Verstehe. Na trotzdem, auf Ihr Wohl.«
    »Chin-chin.«
    Ellis setzte sich auf die Lehne der Couch und stellte das Gewehr des Vampirs neben sich. Ich blieb neben dem Feuer stehen, mir war kalt von der Begegnung mit den Untoten. Bei all den Beobachtungsposten rings herum hatte das Haus einen Hauch von zerbrechlichem Schutz bewahrt. Nun, bei der eisigen Luft, die durchs kaputte Küchenfenster drang, und Ellis, der sich im Haus aufhielt, war dieser Zauber verflogen. Nur gut, dass ich morgen abreisen wollte.
    »Also«, fragte Ellis, »wie lautet Ihre Theorie?«
    »Ich hatte gehofft, Sie hätten eine.«
    »Nein. Offenbar haben Sie Feinde im Lager der Vampire?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Ich habe nichts mit ihnen zu schaffen.«
    »Aber früher mal, richtig? Meines Wissens waren sie in den Fünfzigern mal so etwas wie ein Stachel in ihrem Fleisch.«
    Wohl wahr. Siehe oben unter
Werwolf-Philanthropie
. Firmen in Vampirbesitz hatten den Nazis während des Krieges ein Vermögen für schwer zugängliche genetische Unterlagen gezahlt (ihre Suche nach einem Mittel gegen die Probleme der Nokturnalität geht weiter) und den Alliierten ein Vermögen für das, was davon noch übriggeblieben war. Sie hatten ein Vermögen damit
gemacht
, Schätze zu hüten, die das Deutsche Reich gehortet hatte, noch unterstützt durch das höchst lukrative Nebengeschäft, Kriegsverbrecher aus Europa herauszuschleusen (Jahrzehnte später wiederum war wieder Geld damit zu verdienen, den Aufenthaltsort dieser uralten Nazis an interessierte Juden zu verscherbeln, doch zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits aufgehört, mich einzumischen). In den frühen Nachkriegsjahren war ich Geldgeber und häufig auch Anführer eines losen Haufens von einem Dutzend Gruppen gewesen, die davon überzeugt waren, dass direktes Handeln gegen gewisse Organisationen ihren jeweiligen Zielen diente. Kommunisten, Anarchisten, Tierschützer, Bürgerwehren, Verschwörungstheoretiker – etwa zehn Jahre lang begründete ich Anti-Vampir-Aktivitäten mit dem Schutz des Menschen, um so für die Verluste aufzukommen, die ich selbst den armen alten Menschen zufügte. Verrückt, ich weiß, aber wahr.
    »Ich hab ein paar Steine geworfen«, gab ich zu. »Aus Trotz. Aber das ist doch kalter Kaffee.«
    Ellis trank einen Schluck und sah sich ohne zu blinzeln um. Offenbar gab es nichts, was den Eindruck dieses Mannes zerstören konnte, etwas anderes sei ihm wichtiger als ich. Am liebsten hätte man ihm eine runtergehauen. »Ja, aber diese Kerle sind Meister im Nachtragen«, gab er zu bedenken. »Fünfzig Jahre machen denen gar nichts aus. Das ist wie gestern. Oder vor fünf Minuten.«
    »Na ja, vielleicht sollten Sie mal ein Wörtchen mit ihnen reden. Sagen Sie denen, sie sollen sich hinten anstellen.«
    »Sie hatten nicht vor, Sie umzubringen.«
    »Was?«
    Er stellte das Glas auf der Couch ab und nahm das Gewehr. Zumindest hatte ich es für ein Gewehr gehalten. Die unheimlichen, wendigen langen Finger machten sich an die Arbeit, klappten die Waffe auf und zogen die Munition heraus. Er hielt sie hoch und zeigte sie mir. Ein Pfeil.
    »Betäubungsmittel«, sagte ich.
    »Betäubungsmittel. Wenn wir nicht gewesen wären, würden Sie jetzt schlafen und verschleppt werden.«
    »Wohin?«
    »Pennsylvania.«
    »
Was

    Ellis lächelte – was mich ängstigte, da das Lächeln ihm plötzlich unschuldige, babyhafte Züge aufs Gesicht zauberte. »Meine Schwester unterrichtet in der zweiten Klasse. Eins der Kinder erzählt seinem Kumpel von Graf Dracula. Er lebt in einem großen Gespensterschloss in Pennsylvania. Sie verstehen, statt Transsylvanien –«
    »Kapiert. Zum Piepen. Kannten Sie die beiden?«
    Ellis verstaute den Pfeil in einer der zahllosen Taschen seiner Jacke. Dann nahm er wieder den Scotch. Das Lächeln war verschwunden, so als sei es niemals dagewesen. »Die Frau ist vielleicht eine Mangiardi«, meinte er. »Den Kerl habe ich nie gesehen.«
    Die Mangiardis sind eine der italienischen Familien unter den Fünfzig. Kann schon sein, dass ich damals ein paar ihrer Laboratorien in die Luft gejagt habe, aber ich konnte nicht glauben, dass dies ein

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