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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Heuler erschlagen. Im Gegenzug erlaubt die Jagdgesellschaft den Fünfzig Familien, völlig ungestört zu operieren. Es hat natürlich aufflackernde Proteste gegeben, Krach (und natürlich einen gewissen Zahlenbetrug), doch im Großen und Ganzen klappt der Deal. Die Oberbosse der Vampire behalten die Kontrolle über ihre Familien, und die Kasse bei WOKOP klingelt. Die Hälfte der »Wiederaufbau«-Kontrakte im Nachkriegs-Irak sind, ohne andere Angebote einzuholen, an Vampir-Firmen gegangen (ein Freundschaftsdienst, sehr geehrter Präsident Obama, den die Republikaner nun einfordern werden). Eine davon, Netzer-Böll, hat eine Waffenfabrik, die sich nebenbei ganz auf SSS spezialisiert hat – Silberschuss-Systeme. Eine Handvoll besonders zynischer Blutsauger arbeitet sogar direkt für die WOKOP . Die Jagdgesellschaft setzt sie als Fährtensucher ein. Für Werwölfe. Grainer, ganz alte Schule, will davon nichts wissen.
    Was zum Teufel machte also ein Vampir hier?
    Du schnitzt dir also blitzschnell einen Baumstamm zurecht – nein, ein Stuhlbein – nein, einen Besenstiel – nein, einen Bleistift – nein, ein –
verdammt
… In der Küche legte ich den einzigen Küchenstuhl auf die Seite, hielt ihn mit einem Fuß fest und trat mit dem anderen darauf. Nichts. Ein zweites Mal. Ein leises Ächzen in der Leimung. Ich nahm den verdammten Haufen hoch und schleuderte ihn gegen die Kaminseite (was gäbe ich jetzt für das Saloonschlägereimobiliar in den Cowboyfilmen!). Null Effekt, bis auf einen fürchterlichen Schlag in die Handgelenke. Ich legte ihn wieder auf den Boden und wollte ein drittes Mal zutreten – doch da war es schon zu spät.
    Ein schlanker, stupsnasiger junger Vampir in Tarnhose und Ledermotorradjacke, mit Piercings in den Augenbrauen und weißgebleichten, bis an den Schädel kurzrasierten Haaren stand in der Tür und hielt ein klobiges Gewehr in der Hand. Jung, sage ich, aber bei allem, was ich wusste, hätte er auch genauso gut seit den Tagen Gilgameschs auf der Welt sein können. Er hob die Waffe und richtete sie auf mich.
    »Moment«, sagte ich.
    »Geht nicht«, erwiderte der Vampir und grinste. Ich hatte noch gerade Zeit für den Gedanken: »Nein, der ist jung, die Augen sind noch nicht tot. Die Zeit hat noch nicht ihren Tribut gefordert. Ein Alter hätte gar nicht erst ›geht nicht‹ gesagt.« Dann geschah das, was als Nächstes geschah.
    Von draußen drang der schockierend abrupt unterbrochene Schrei einer Frau. Eine unangenehme, zwei Sekunden lange Stille folgte. Dann donnerte ihr abgetrennter Kopf durchs Küchenfenster und hüpfte hässlich über die Fliesen, bevor er am Fuße des Herds liegen blieb. Das lange dunkle Haar teilte sich und ließ grüne Augen erkennen, die halb zurückgerollt waren, der Mund war fürchterlich schlaff. Spuckenasse Fangzähne. Ihre Haut wurde bereits schwarz.
    »Laura?«, fragte der Vampir leise. Dann durchbohrte ein Holzpflock mit einem feuchten Knirschen von hinten seine Brust. Er runzelte die Stirn, ließ die Waffe klirrend fallen, ging in die Knie, und die Äderchen auf Händen, Hals und Gesicht wurden dunkel. Hinter ihm stand Ellis in einem Winterkampfanzug und mit einem hochmodernen Jagdpflock in der Hand. Die langen blonden Haare hatte er sich nach hinten gekämmt und zu einem außergewöhnlichen festen Knoten gebunden.
    »Hi, Jake«, sagte er. »Alles in Ordnung?«
    Ich atmete langsam aus und stellte den Holzstuhl wieder hin. »Kommen Sie rein«, bat ich ihn. »Hier läuft eine Party.«
    »Jetzt, wo Sie es sagen«, meinte Ellis, »ich könnte für einen Drink morden.«
    »Was zum Henker geht hier vor?«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
    Er ging um den braun werdenden Leichnam des Vampirs herum und rief zum Fenster hinaus: »Russell?«
    »Yo!«
    »Bei uns alles bestens?«
    »Alles bestens.«
    »Na gut. Allerdings habt ihr Mr Marlowes Fenster eingeworfen.«
    »Entschuldigung, Boss. Im Eifer des Gefechts.«
    Ellis erwiderte nichts darauf. Stattdessen nahm er den abgetrennten Kopf und schleuderte ihn hinaus. Die Untergebenen amüsierten sich. Die Haut der dunkler werdenden Leiche knisterte leise. »Ich entsorge das mal eben für Sie«, meinte Ellis. Er packte den Kadaver am Motorradjackenkragen und schleifte ihn zur Hintertür hinaus. Die Zersetzung von Vampiren ist durchaus nicht die leinwandtaugliche, spontane Verwandlung in einen Aschehaufen, den Hollywood so gern zeigt, aber merkwürdig schnell vollzieht sie sich schon. In ein, zwei Stunden würde es

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