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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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verspäteter Racheakt sein sollte. Vampire interessieren sich nicht für so was. Nicht aus Prinzip, aber in neun von zehn Fällen ist es ihnen einfach egal. Alle Motivation entspringt der grundlegenden Tatsache der Sterblichkeit. Ist man unsterblich, verliert die Motivation … nun ja, ihre Motivation. Deshalb verbringen Vampire einen Großteil ihrer Zeit damit, herumzuhängen und aus dem Fenster zu starren, und scheren sich einen Dreck um irgendwas.
    »Sagt mir gar nichts«, meinte ich. »Aber ich sollte mich wohl bedanken. Was immer sie von mir wollten, es war sicher nichts Nettes, kann ich mir denken.«
    »Gehört zum Service, Jake. Aber hören Sie, wenn Sie wirklich dankbar sind, gibt es da schon etwas, worüber wir reden sollten.«
    »Was denn?«
    »Eine Angelegenheit von beiderseitigem Nutzen. Wir haben da –« in seinem Kopfhörer klickte es: Sein Team funkte. Das bleiche, wächserne Gesicht und die lapislazuliblauen Augen erstarrten, er hörte zu, verarbeitete das Gehörte, zog seine Schlüsse. »Roger«, sagte er dann. Dann hielt er das Mikrophon zu und sagte: »Verdammt, die kann man keine fünf Minuten allein lassen.« Er trank sein Glas leer und stand auf. »Das muss warten. Hören Sie, wir werden schon einen günstigen Zeitpunkt finden, aber ernsthaft, okay?« Wären wir kleinere Studioangestellte beim Film, wäre der Ton genau richtig gewesen.
    »Die Sache mit den Füchsen hat mir allerdings nicht gefallen«, gab ich ihm noch mit auf den Weg.
    »Ich weiß. Dafür kann ich mich nur entschuldigen. Diese Anfänger. Tut mir leid, Jake, wirklich.«
    »Und jetzt haben Sie auch noch mein Fenster eingeschmissen.«
    »Das werden wir morgen früh gleich als Erstes reparieren. Noch mal, ganz ehrlich, das mit den Füchsen tut mir leid. Solche Tiere sind einem ein Trost. Ich hätte gern einen Hund, aber bei dem Leben, das ich führe? Das wäre dem Hund gegenüber nicht fair. Wir reden ein andermal.«
    Kaum war Ellis fort, musste ich den Drang unterdrücken, Harley anzurufen. Der Jäger konnte eine Wanze angebracht haben. Ich hatte nicht aufgepasst, ihn einen kurzen Augenblick allein gelassen, aber die Vampire hatten mich aus dem Tritt gebracht. Außerdem würde sowieso heute Abend noch ein Bericht an die WOKOP gehen; Harley würde die Geschichte auch ohne mein Zutun erfahren. Zu meinem Schaden, wenn ich es recht bedachte, Harley war sowieso schon übermäßig besorgt. Bei einer solchen Meldung – die Vampire sind hinter Jake her – würde er nur noch mehr Zeit und Energie damit verschwenden, sich Sorgen zu machen. Ich schickte ihm eine SMS : »Audio unsicher. Bis auf weiteres SMS . Kleiner Zwischenfall. Weiteres von Ellis. KEINE SORGE . ALLES OKAY .«
    Die Vampire sind hinter mir her. Das ist lächerlich. Ich habe seit über zwanzig Jahren keinen Vampir mehr
gesehen
. Ein Irrtum? Oder ein neuer Trick der Jagdgesellschaft? Aber da war über jeden Zweifel erhaben noch der Betäubungspfeil. Wenn wir nicht gewesen wären, würden Sie jetzt schlafen und verschleppt werden.
    Wohin denn? Und wozu?
    Da ist es wieder, dieses nervtötende Ding, der Drang des Lebens, einen zu umwerben, der Freier, der kein Nein akzeptiert. Vampire, Jake. Worum geht es dabei? Bleiben Sie dran, wenn Sie wissen wollen, was als Nächstes geschieht.
    Na ja, ich weiß, was geschieht. Noch mehr geschieht. Variationen der immer gleichen wenigen Themen. Es gibt nur sechs Handlungsstränge, so Hollywood, oder zwölf, oder neun … ganz gleich welche Zahl, sie ist begrenzt, sie ist klein. Wenn dies das Leben ist, das mich mit seinen Handlungssträngen wieder zurücklocken will, dann wird das nicht funktionieren. Ich komme nicht ins Leben, ich lasse es hinter mir.
    Ich ging durch das Haus und zog alle Vorhänge zu. Die Dunkelheit draußen war bei genauerem Hinhören laut, sie summte nur so vom Klang der unerschöpflichen Ränkeschmiederei des Lebens, dem Gerüchteköcheln eines neuen Angriffs auf meinen Entschluss. Das versetzte mir ein merkwürdig zartes, trauriges Gefühl der Leere, so als würde man seine Frau im Bett mit einem anderen erwischen und erkennen, dass es einen nicht kümmert, schon seit Jahren nicht, so als täten sie einem ein wenig leid und als wünschte man den beiden viel Glück.
    Ich setzte mich mit einem aufgefrischten Glenlivet und einer Camel wieder aufs Sofa, warf die Schuhe von mir, reckte die Beine in Richtung Kamin und gähnte. Es war erst sechs Uhr abends, aber der Alkohol und die Aufregung hatten mich schläfrig gemacht.

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