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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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sie verpasst.« Ich hatte die Vorderseite des Hauses beobachtet, doch die Vampire mussten von einem uneinsehbaren Ausgang auf der Höhe der Garage unter uns gekommen sein. Erst das Geräusch der sich öffnenden Wagentür warnte mich. Ich drückte Cloquet den Lauf mit dem Schalldämpfer an den Hinterkopf. »Ein Muckser, und Sie sind tot.«
    Das Lächerliche wartet allerdings stets auf einen Augenblick größter Ernsthaftigkeit. Cloquet flüsterte ganz leise: »Ich muss niesen.« Kein Wunder nach der Tonne Koks, die er geschnieft hatte. Ich ließ Waffe und Fernglas fallen, packte Cloquet, hielt ihm mit einer Hand die Nase zu und drückte die andere vor seinen Mund. Eine der Beifahrertüren des Wagens glitt scharrend zu. Mia, die Vampirin, hatte erneut die Nase in unsere Richtung gereckt. Im Licht des Wageninneren erkannte ich ein junges Gesicht mit hohen Wangenknochen und schulterlangen, gelbblonden Haaren.
    Cloquet konnte nicht mehr. Ich packte fester zu, doch es wurde zu mächtig. Cloquet wehrte sich verzweifelt. Ich legte mich auf ihn, als wollte ich ihn von hinten nehmen und hielt fest. Mia stieg auf den Beifahrersitz. Beine und High Heels, die ganz gut zu einer Werbung für Luxusstrümpfe gepasst hätten, wurden grazil hineingehoben. Mia streckte sich nach dem Türgriff.
    Schnzzn!
Mit einer letzten Anstrengung bekam Cloquet genug von seiner Nase frei, um seinen aberwitzigen Nieser von sich zu geben – dank der Gnade der Götter zeitlich präzis mit dem Zuklappen der Beifahrertür. Beinahe hätte ich ihm an Ort und Stelle das Genick gebrochen. Doch dann starteten die Vampire den Motor, der Minivan mit seiner unsterblichen Besatzung wendete und fuhr davon.
    Ein Fetzen von Cloquets Rotz klebte mir am Handrücken. »Na, vielen Dank«, sagte ich und wischte sie mir an seinem Kragen ab. »Also. Auf die Füße, Soldat.«
    »Was?«
    »Aufstehen. Hierher, bitte.«
    Improvisation war gefragt. Mit seinem Gürtel fesselte ich ihm die Hände hinter den Baum. Er wehrte sich kaum. Offenbar hatte er eine Vorliebe dafür, sich zu ergeben. Als ich ihn fesselte, gab es einen kurzen Augenblick der Annäherung zwischen uns. Cloquet sah mich an.
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Sie haben gelogen. Ich habe sie an Ihren Fingern gerochen.«
    »Ach. Ja. Sorry.«
    »Sie werden sich einen Nachschlag holen gehen. Alle wollen noch einen Nachschlag.«
    »Ich will nur in dem Buch nachschlagen.«
    »Sie glauben, Sie sind in Sicherheit. Da irren Sie sich. Sie weiß schon, was Sie denken.«
    »Das Risiko gehe ich ein. Ich gehe auch nicht ohne Ihre Luger und ihren Freund, dem extra angefertigten Speer hier.« Ich zerknüllte die fünfhundert Euro, stopfte sie ihm in den Mund und nahm die Hälfte seines Handverbandes, um ihn zu knebeln. Keine Ahnung, warum ich ihn nicht auf der Stelle erledigte. Ihn umzubringen, war zu absurd. Die Cashews, die Mascara, die aufgegebene Modelkarriere. Dieser Nieser.
    »Ich bin mal eine Weile weg«, sagte ich.

29 .
    Wenn man einen Plan braucht, aber keinen hat, überkommt einen ein leicht zurückgebliebenes, ausgelassenes, gleichgültiges Vertrauen. Standup-Comedians kennen das, Kriminelle, Soldaten. Das Ego verliert sich im Fluss der Handlungen und wird sich auf der anderen Seite der anstehenden Aufgabe wiederfinden – oder auch nicht. So oder so machst du es. So oder so bist du dabei.
    Ich arbeitete mich tief gebeugt und leise durch die Bäume vor zu der Stelle, wo Cloquet und ich die Fahrspur verlassen hatten, dann weiter bis an den Waldrand. Von hier trennten mich sechs Meter von den Garagen. Es war dunkel genug, um das bloße Auge zu täuschen, doch wenn einer der Wachen ein Nachtsichtgerät an die Augen hob … Ich legte die Strecke in einem absurden Sprint auf Zehenspitzen zurück, drückte mich mit dem Rücken an die Wand unterhalb des überhängenden Zwischengeschosses, hielt den Atem an. Ein gnädiger
deus ex machina
hätte mir jetzt eines der Garagentore geöffnet, darin eine zweite Tür in den Keller der Villa. Ich probierte die Tore. Alle drei waren verriegelt. Ich fragte mich, was Jacqueline wohl für einen Wagen fuhr, stellte mir sie im Geiste in einem Mercedes Cabrio vor, elfenbeinfarben mit roten Ledersitzen, passend zu Lippenstift und Fingernägeln.
    Ein hübsches Bild, aber nicht hilfreich. Ich suchte nach etwas, das ich werfen konnte. Man wirft etwas, und Hollywood zufolge holt der Lärm zumindest eine Wache von seiner Position, um nachzusehen. Es gab nichts zu werfen. Was hatte ich erwartet?

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