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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Jacqueline. »Das tut wirklich weh.«
    Die Selbstaufgabe machte sich sinnlich bemerkbar, eine Geliebte, die sich von hinten angeschlichen, ihre Arme um mich geschlungen und an sich gezogen hatte und mir nun ins Ohr hauchte. Hier war, wenn ich nur wollte, der Frieden, mich einem größeren Willen zu ergeben. Cloquets Frieden mit Madame Delon, zweifellos.
    »Jacob, bitte«, wiederholte sie. »Bitte.« Ich löste den Griff. Ließ sie gehen. Sie trat beiseite. Eine kleine Frau mit Elfenhaupt und einem Körper, der gerade erst damit begann, den Kampf zu verlieren. Ich dachte an Cloquets Begeisterung für ihren Anus und lächelte.
    »Sehr gut«, sagte der Vampir. »Können wir?«
    Keine Illusionen. Ich ging freiwillig mit oder ich ging nach einem rührend kurzen Kampf, aber ich ging. Eine irre Kinomontage lief vor meinem geistigen Auge ab, wie ich es mir im Lager der Vampire gemütlich machte, Gefangener, aber anständig behandelt, wie ich am Lagerfeuer Monstergeschichten spann, wie ich nach und nach die Abscheu ablegte, Gemeinsamkeiten fand, wie ich um der reinen Wissenschaft willen alles in Helios investierte, wie ich gegen alle Wahrscheinlichkeit, wider die
Natur
eine verbotene gemischtrassige Affäre hatte, mit der kühlen Mia und ihren schönen Beinen – Schnitt auf ein Bild von mir selbst als Werwolf, ausgestreckt auf einen Untersuchungstisch aus gebürstetem Stahl geschnallt, Gliedmaßen gefesselt, Kopf festgezurrt, wie ich schrie, wie mich weiß gekleidete Blutsauger umstanden, dazu die allerneueste Invasivtechnik, wie mir Blut aus Ohren, Nase, Rektum floss …
    Weiterer Schusswechsel draußen. Rufe. Ein Hubschrauber. Ich fragte mich, wo der arme Cloquet bei alledem geblieben war, was immer da draußen vor sich ging. Ich fragte mich auch für einen kurzen Augenblick, ob ich mich nicht auf den ganz nah bei mir liegenden Speer stürzen und ihn werfen könnte, bevor der Vampir sein Vorhaben ausführen konnte. Nicht wirkungsvoller als ein Stinkefinger (schließlich war die Spitze aus Metall, nicht aus Holz), aber in meinem Zustand sprach mich die völlige Sinnlosigkeit der Tat richtig an.
    »Nehmen Sie mich mit«, flehte Jacqueline ihn an. »Ich weiß, es ist nicht genau nach Plan gelaufen, aber Sie haben doch, was Sie wollten. Ich schwöre, Sie werden es nicht bereuen.«
    »Still«, sagte der Vampir, ohne sie anzusehen. Dann überschlugen sich die Ereignisse.
    Eine Explosion durchschlug die Glaswand, eine Kugel aus Rauch und Flammen brach in den Raum und zog sich fast augenblicklich wieder zurück. Die Druckwelle pustete uns alle drei von den Beinen. Ich donnerte in die Barstühle und spürte, wie mir eine Rippe brach. Der Speer flog ebenfalls los, verpasste meinen Kopf um fünfzehn Zentimeter und bohrte sich in das Mosaik der Bartheke hinter mir. Der Vampir, der der Detonation am nächsten war, segelte spektakulär über die Bar und knallte mit den Armen rudernd in die glitzernde Flaschensammlung vor der Spiegelwand.
    Jacqueline Delon war zwei Stühle von mir entfernt auf Händen und Knien. Ein großer Glassplitter ragte blutig aus ihrem äußeren Oberschenkel, ein weiterer aus ihrem Schienbein. Noch einer am Kopf. Sie streckte die Hand, zog ihn vorsichtig heraus und betrachtete ihn. Erst da ging mir auf, ich könnte ähnliche Blessuren davongetragen haben. Und tatsächlich stieß ich bei einer leicht verträumten Untersuchung auf einen großen Splitter, der mir aus der linken Schulter ragte. Ich tat es Jacqueline gleich und zog ihn mir vorsichtig heraus. Blut quoll drängend hervor. In einer Art geistesabwesender Apathie hielt ich mich am Speer fest. Der unsichtbare Hubschrauber beschwor ohrenbetäubend
Apocalypse Now
herauf. Die Explosion hatte kurzzeitig den Raum mit Hitze erfüllt; nun drang kühle Luft herein wie ein Engel. Der Speer gab nicht nach. Ich erhob mich mühsam. Jacqueline, die in der Stille eines irren Stoizismus oder in tiefem Schock verharrte, zog sich an einem der Barhocker hoch. Ein Stiletto hatte sich verabschiedet. Selbst in ihrem Zustand war ihr das Ungleichgewicht unerträglich. Sie streckte die Hand aus und zog auch den anderen Schuh aus. Wir schauten uns an, als seien wir gerade erst auf die Welt gekommen.
    Hinter ihr tauchte der Vampir auf. Erst war er nicht da, dann schon. Aber so sind sie. Schnell. Zu schnell. Sein schickes kleines Gesicht war mit Glassplittern besetzt und voller Blutperlen. Er wischte darüber, wedelte eher, so als sei sein Gesicht von Fliegen bedeckt, doch an seinem

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