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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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würde mir das nur einbilden, die knochentiefe, genetische Erkenntnis, der alte blutige Geschmack der Scham. Kein mythischer Nachhall, Jake, kein Artengedächtnis, nichts klingelte, nichts warf ein Echo. Nur der verzweifelte Wunsch, lieber Jake, nicht als Rätsel für dich selbst zu sterben. Wilde Hunde und Leichen. Besser eine widerliche Geschichte als überhaupt keine.
    »Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Ich habe die zwei Wachen am Südtor umgelegt.«
    »Womit, um Gottes willen?«
    »Mit meiner Pistole. Liegt wahrscheinlich da drüben. Ich hab sie fallen lassen.« Er wies auf die Stelle des gescheiterten Hinterhalts. Eine kurze Suche förderte die Waffe zutage, eine Luger CZ 75 B, Kaliber 9  mm mit abgefeilter Seriennummer. Ich kontrollierte die Munition: Silberkugeln.
    »Warum haben Sie die hier nicht benutzt? Dann wäre ich schon tot.«
    »Ich weiß. Aber ich hab mir den Speer extra anfertigen lassen. Sehen Sie das hier am Schaft? Das sind Jacquelines und mein Name in henochischer Schrift.«
    Das Auto kam näher. Das Auto – es war nicht zu leugnen – kam hierher. »Da sind sie«, sagte Cloquet, versuchte aufzustehen, schaffte es aber nur auf alle viere und sah so aus, als müsse er sich gleich übergeben. Ich steckte die Waffe ein und zerrte uns weiter in den Wald hinein. Das Fahrzeug – ein schwarzer Kleinbus mit verdunkelten Scheiben – fuhr langsam vorbei, den blassen Schotter entlang, um den herum nun finsterste Dunkelheit herrschte. »Warum haben sie mich nicht schon vom Schiff geholt?«, fragte ich. »Ich war doch schon eingesperrt.«
    Cloquet schüttelte den Kopf. »Weiß ich nicht. Ich dachte, das wäre der Plan, Sie bis Sonnenuntergang an Bord festzuhalten. Jacqueline muss sich wohl Sorgen gemacht haben, die Bestechung der Küstenwache könne nicht funktioniert haben. Vielleicht hatte die WOKOP ein Schiff in der Nähe. Keine Ahnung. Vielleicht wollte sie auch nur mit Ihnen schlafen. Man verliebt sich in sie, weil sie einem von Anfang klarmacht, dass sie niemals etwas für einen empfinden wird.«
    Wir mussten uns durch den Wald kämpfen, bis wir einen Aussichtspunkt in Windrichtung erreichten, was für den humpelnden Cloquet, der sich mit einer Hand das angestochene Gesäß hielt und mit der anderen die jaulenden Hoden, ausgesprochen mühsam war. Als wir im Schutz der Bäume in der Nähe der Vorderseite des Hauses stehen blieben, ging er auf die Knie und übergab sich leise. Dann murmelte er
merde, merde, merde
, bis ich ihn anzischte, er solle die Schnauze halten.
    Fünf Vampire stiegen aus dem Wagen. Drei Männer, zwei Frauen. Es war zu dunkel, um mehr zu erkennen. Jacqueline Delon, flankiert von zwei bewaffneten Schlägertypen (welche Munition? Aus Holz?), erschien in einem blassen Kleid am Kopf der Treppe, um sie zu empfangen.
    »Was ist passiert?«, fragte einer der Vampire. Seiner Stimme fehlte die charakteristische Langeweile (eine andere Version der gelangweilten Teeniehaltung, schon alles gesehen zu haben, aber das war verzeihlich, denn die meisten von ihnen hatten schon alles gesehen).
    »Kommen Sie rauf«, sagte Jaqueline. »Kommen Sie einfach rauf, und wir reden.« Vier von ihnen gingen die Stufen hinauf. Der fünfte Vampir, einer von den Frauen, blieb auf halbem Weg stehen, drehte sich um, sah uns unverwandt an. Ich spürte, wie Cloquet den Atem anhielt. Dann bemerkte ich, dass ich das ebenfalls tat. Da ich sie nicht spüren konnte, sollte sie eigentlich nicht in der Lage sein, mich zu spüren. Ich hatte genügend Abstand zwischen uns gelassen. Selbst in Windrichtung war ihr Geruch nur ganz leicht zu erahnen; meiner musste völlig unbemerkt bleiben. Doch da stand sie, hellwach. Der Gestank von Cloquets Erbrochenem, vielleicht?
    Oh, verdammt: sein Blut.
    An das Offenkundigste denkt man nie.
    Die Vampirin zögerte, hob den Kopf, nahm die Hände aus den Taschen, machte einen Schritt nach vorn und reckte sich in die Dunkelheit.
    »Mia, komm schon.«
    Einen Augenblick lang kratzte ihr weit hinausgeschickter Sinn am Rande unserer Aura. Dann ging es vorbei, er verfehlte uns, fiel wieder in sich zurück. Die Vampirin drehte sich um und ging schnell die Treppe hinauf.

28 .
    »Und was jetzt?«, fragte Cloquet.
    Gute Frage. Eigentlich wollte ich mich nur auf die weichen toten Nadeln unter den Fichten legen und in tiefen Schlaf versinken, komme, was wolle. Tiefer Trost lag in diesem Ausdruck
komme, was wolle
. »Ich sag Ihnen was«, erklärte ich. »Sie werden mir das wohl kaum abnehmen, aber ich

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