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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Quatsch. Ich weiß von dem Geschäft mit den Vampiren. Ich bin hier, um Quinns Buch und den Stein zu holen. Tresor im Keller. Keine Zeit zu verlieren. Hopp-hopp. Verstanden?«
    Sie runzelte die Stirn. Leise Musik im Hintergrund. Dusty Springfields ›No Easy Way Down.‹ Dazu ein ungewöhnlicher starker Duft nach Patschuli. Am Morgen hatte es nicht danach gerochen.
    »So einfach ist das nicht«, erwiderte Jacqueline. Sie schien sich anzustrengen, mich nicht direkt anzuschauen, ja, eigentlich gar nichts sehen zu wollen. Draußen sagte eine der Wachen: »Nein, Marcel ist bei ihr. Wir brauchen hier oben noch zwei Mann, um die ganze Grundstücksgrenze abzutasten. Verstanden?« Ich ging auf Jacqueline zu, packte sie bei den Haaren und hielt ihr die Waffe unters Kinn, doch dazu musste ich den Speer fallen lassen. »Kein Rumgemache.
Bitte
. Los. Sofort.«
    »Du verstehst mich falsch«, erwiderte sie. »Ich habe das Buch nicht. Auch nicht den Stein.«
    »Seit heute Morgen. Ich glaube nicht.«
    »Doch, es stimmt. Sie sind in anderen Händen.«
    »Nur mal so zum Spaß«, fragte ich, »in wessen Händen?«
    Gewisse Spannungen wecken die Hellsicht. Ich wusste, dass sie nach oben über meine linke Schulter hinweg nach hinten schauen würde. Und genau das tat sie auch. »In seinen«, antwortete sie.
    Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um mir einzugestehen, dass es keinen Sinn hatte zu sagen: Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich darauf hereinfalle, oder? Dann drehte ich mich um.
    Er war die ganze Zeit dort gewesen, ›er‹ soll heißen, ein Vampir, und ›dort‹ neun Meter über dem Boden mit dem Rücken an der Zimmerdecke direkt über der Tür. Ein alter Vampir, schloss ich daraus, denn die Aufhebung der Schwerkraft war ein Elitesport, der sicher ein paar Jahrhunderte an Übung bedurfte. Ich sah zu, wie er zu Boden schwebte, ein ordentlich gekleideter schlanker Mann, dem Aussehen nach Anfang fünfzig (obwohl er sich wahrscheinlich schon mit dem alten Ramses unterhalten hatte), mit kunstvoll kurzgeschnittenen Haaren und einem eleganten, ruhigen kleinen Gesicht. Graugrüne Augen, schmaler Mund. Die Andeutung eines Kinngrübchens. Schwarze, engsitzende Hose und schwarzer Rollkragenpullover. Ich erinnerte mich noch an die Zeiten, als es ein aufregender Schock gewesen wäre, jemanden so durch die Luft schweben zu sehen, an die Zeiten, bevor wir so etwas unzählige Male im Kino gesehen hatten. Die mimetische Umkehrung der Moderne: Man sieht die Wirklichkeit und ist entsetzt darüber, wie sehr sie aussieht wie ein langweilig perfekter Special Effect.
    »Da Sie ja bereits von dem Geschäft mit den Vampiren wissen«, sagte der Vampir, als seine Füße den polierten Eichenfußboden berührten, »sollten wir keine Zeit vergeuden. Stellen Sie uns freiwillig Ihre Dienste zur Verfügung, und Sie erhalten dafür Einsicht in Quinns Buch und die Freundschaft der Fünfzig Familien, solange Sie leben.«
    Hatte keinen Zweck zu fragen: Und was, wenn nicht? Jetzt, wo ich den Vampir sah, konnte ich ihn auch riechen; was für ein leicht zu beeinflussender Schwachkopf doch die hybride Wahrnehmung ist. Hartnäckige Werwolfsreste schauderten und bockten. Da war der nahezu alles überwältigende Drang meiner Gliedmaßen, ihm den Blutsaugerschädel abzureißen. Eng in die Phantomtierhüften gepackt auch der starke Fluchtreflex. Eine Kopfschmerzen auslösende Ambivalenz. Pack ihn. Renn weg. Pack ihn. Renn weg. Draußen war das Feuer der Automatikwaffen zu hören, wohl von den Wachen auf dem Dach, nahm ich an.
    »Was geht da draußen vor?«, fragte Jacqueline. Ich hielt sie immer noch an den Haaren fest. Heiße Kopfhaut und Shampooduft. Die Überdosis Patschuli sollte wohl das
parfum de vamp
übertünchen. Der Vampir blieb vollkommen ruhig stehen, Füße zusammen, Hände an den Seiten, kein Lächeln, nur die körperliche Ökonomie, ein Markenzeichen, und die unerträgliche Selbstbeherrschung eines Pantomimen oder Jongleurs. Er hatte Englisch mit italienischem Akzent gesprochen. Mangiardi? Unwichtig. Wichtig war nur, dass ich nicht nachgezählt hatte, wie viele Vampire in den Minivan gestiegen waren. Vier fuhren davon, einer blieb zurück. Gleich würde er handeln, so schnell, dass ich nur noch das Ergebnis mitbekommen würde (betäubt, geknebelt, eingesackt und gefesselt), ohne zu wissen, wie mir geschehen war. Als Wolf wäre ich ihm ebenbürtig gewesen. Als Mensch hätte ich genauso gut eine aufblasbare Puppe sein können.
    »Jacob, bitte«, sagte

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