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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Blumentöpfe? Steine? Leere Flaschen? Irgendwas. Willkommen zu den unerwünschten Nebeneffekten, sich im Fluss der Handlungen zu verlieren.
    Am Ende schleuderte ich Cloquets Fernglas hinauf über das Zwischengeschoss auf die Treppe an der Ostseite der Terrasse, wo es mit einem (hoffentlich) interessanten Klappern landete. Ein Wachmann, vielleicht mehrere, würden nachsehen und die Treppe an der Westseite freigeben, so dass ich mich anschleichen konnte.
    »Hast du das gehört?«
    »Hab ich. Mach Meldung.«
    Ich war schon wieder auf Zehenspitzen zur westlichen Treppe unterwegs (fast so wie das Entengewatschel, das Footballspieler nach dem Touchdown vollbringen).
    Alles frei. Ich überquerte das Zwischengeschoss, und da ich keinen Grund hatte, stehen zu bleiben, rannte ich den nächsten Treppenabsatz hinauf zu der Ebene, wo Oliven und Thymian standen, direkt unterhalb des Kaktusgartens und der Villa. Dort kauerte ich mich in einen Schatten zwischen Balustrade und Bäumen und sah mich um. Eine Wache war tatsächlich zum Zwischengeschoss hinabgestiegen, hatte die Automatikwaffe gezückt und suchte vorsichtig. Die Dachwache suchte alles mit Nachtsichtgerät ab, aber in die vollkommen falsche Richtung. Der zweite Wachmann im Erdgeschoss war keine drei Meter entfernt direkt über mir.
    »Ein verdammtes Fernglas«, meldete der Wachmann. »Hast du schon Bescheid gegeben?«
    »Ja. Hab ich.«
    »Da ist jemand im Wald, schätze ich«, rief der Mann vom Dach. »Eindeutig Bewegungen im Wald. In Neun Uhr.«
    Bewegungen im Wald? Hatte Cloquet sich befreien können?
    »Wer ist beim Boss?«
    »Marcel.«
    »Was siehst du?«
    »Bewegungen.«
    »Welche Bewegungen, verdammt nochmal?«
    Der Wachmann in meiner Nähe war Gott sei Dank ein Feigling. Er hätte sofort die Westseite absuchen sollen, stattdessen ging er die Osttreppe nach oben und rief zu seinem Kumpel hinunter: »Komm wieder hier rauf.«
    »Bewegung an mehreren Stellen.«
    »Was ist da los?«
    Das war die Gelegenheit. Keiner sah in meine Richtung. Ich verließ kriechend mein Versteck und sprang schnell – balletthaft, wenn da nicht meine angespannten Halssehnen gewesen wären – die letzte Steintreppe hinauf.
    Genau in dem Augenblick, wo ich oben ankam, öffnete sich in der Glaswand eine Tür, und der meerschweinchengesichtige Schlägertyp vom Schiff – Marcel – tauchte direkt vor mir auf.

30 .
    Natürlich sahen wir uns an. Natürlich reichte die Sekunde, die verging, dazu aus, so etwas wie reine Nähe zu genießen, den anderen genauestens zu studieren, ganz genau das Gewicht der Vergangenheit des anderen zu spüren. Natürlich wechselte unser Innerstes, unabweisbar bloßgelegt, überraschte Blicke.
    Dann schoss ich ihm ins Gesicht.
    Es war knapp. Knapp, dass er nicht zuerst geschossen hatte, meine ich. Die Mündung seiner Waffe war bereits in der Aufwärtsbewegung. Ich spürte das so deutlich, als würde es sich um meinen eigenen Arm handeln. Tatsächlich bewegte sich mein eigener Arm wie das Gewicht am Ende eines Fitnessgeräts, das jemand anderer bediente, hob sich exakt fünfundvierzig Grad, um die Luger auf seinen Kopf zu richten, woraufhin meine Hand – ein weiterer Teil eines Präzisionsmechanismus, den jemand anderer kontrollierte – den Abzug betätigte.
    Die schallgedämpfte Kugel schlug Marcel in die Stirn (ein großer, unsauber angebrachter
bindi
), und er brach fast geräuschlos zusammen. Jacqueline Delon, die ein buttermilchfarbenes Seidenkleid trug, stand ein paar Meter hinter ihm. Sie wimmerte und zog die Schultern hoch, so als habe sie gerade gehört, wie jemand ein Stück unbezahlbarer Glasware fallen lässt. Ein kurzer Blick nach rechts verriet mir, dass die beiden Wachen im Erdgeschoss mit Nachtsichtgeräten in den Wald starrten. Sie hatten nichts gehört.
    Keine Zeit nachzudenken. Ich sprang über die Terrasse, schleifte Marcels Leiche durch die Tür hinein und schloss die Glastür hinter mir. Es handelte sich um das Wohnzimmer, wo wir am Morgen unseren ersten Drink genommen hatten; abgesehen von Jacqueline, mir und dem toten Marcel war es leer. Madame Delon ließ langsam die Schultern sinken. Eine Bewegung mit der Luger machte ihr die Lage klar: Ein Geräusch von ihr, und ich würde sie erschießen. Ich erschoss Leute. Beweisstück A: Marcel. Ihr Blick verriet mir, dass sie verstanden hatte. Sie entspannte sich, ließ die Schultern ganz fallen. »Meine Güte«, sagte sie. »Ich dachte schon, ich hätte dich für immer verloren.«
    »Schluss mit dem

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