Der letzte Werwolf
seine teure Schuld nun doch bezahlen.“
Phil ließ sich in die Sessellehne fallen. „Wow, dass es Hexenprozesse gab, wusste ich, aber dass sie auch Männer auf den Scheiterhaufen gestellt haben …“
„Es muss schrecklich sein, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden“, murmelte Valentina.
Dorian sah starr vor sich hin. „Das Fegefeuer läutert unsere Seelen. Häresie und Hexerei sind mit dem Feuertode zu bestrafen – ob Mann, ob Weib macht keinen Unterschied. Deshalben hat auch ein Mannwolf den Scheiterhaufen zu besteigen …“ Er hielt inne, seine weißen Finger zitterten leise.
Valentina sah ihn mitfühlend an. Zweifelsohne dachte er an seinen Vater, dem man aus eben diesem Grunde den Prozess gemacht hatte.
K APITEL 8
I hr Gespräch wurde unterbrochen, als Herr Bozzi, der zu Dorians Füßen lag, unversehens die Ohren aufrichtete, wie von der Tarantel gebissen aufsprang und aus dem Wohnzimmer rannte.
„Isolde“, sagte Phil und warf Valentina einen besorgten Blick zu.
Keine Sekunde später drehte sich der Schlüssel im Schloss, es folgte glückliches Gekläffe und eine weibliche Stimme.
„Dorian, sag ihr bitte nicht, wo und wie wir dich gefunden haben, und …“ Weiter kam Valentina nicht.
„Da seid ihr!“ Die Großmutter stand, noch den Schlüssel in der Hand in einem auffällig geblümten Sommerkostüm in der Tür. „Oh, wir haben Besuch!“
Dorian war beim Eintreten der alten Dame hochgeschnellt und verbeugte sie jetzt galant. „Meine Verehrung, hochgeschätzte Madame, Ihr untertänigster Diener.“
„Na so was!“, sagte Isolde und bedachte ihre Enkel mit einem verdutzten Blick. „Das nenn ich eine Begrüßung.“
„Das ist Dorian“, beeilte sich Phil zu sagen.
„Dorian ist Austauschschüler von diesem EU-Programm, du weißt schon …“, Valentina riss das Wort an sich, ehe es ihr sonderbarer Gast ergreifen konnte. Geradezu atemlos erzählte sie die Geschichte, die sie sich ausgedacht hatten.
„Ach, das ist ja traurig“, sagte Isolde, die Valentinas offensichtlicher Nervosität glücklicherweise keine Bedeutung beimaß. „Ein Todesfall bei den Bergers. Natürlich kann der junge Mann hierbleiben. Muss nur noch das Abendessen geklärt werden – habt ihr Lust auf Pizza?“
Phil hob den Daumen. „Super! Peperoni und Schinken.“
„Und was magst du?“ Damit wandte sich die Großmutter an den blonden Jungen, der noch immer stand.
„Er ist Vegetarier“, sagte Valentina schnell, die an Dorians fragender Miene sah, dass er nicht wusste, worum es ging. „Bestell ihm doch einfach die Gemüsepizza, die du so gern isst.“
Isolde nickte dem Jungen erfreut zu. „Ach, dann sind wir ja Seelenverwandte. Dann findest du es also auch indiskutabel, Tiere zu essen.“ Sie warf den Geschwistern einen vorwurfsvollen Blick zu. „Und ungesund ist es außerdem!“
„Hochverehrte Madame“, erwiderte Dorian. „Die tierische Kost fördert den Blutesrausch, deshalben enthalte ich mich ihrer ganz.“
„Aha.“ Die alte Dame lächelte irritiert. „Kommst du mal, Valentina …“
Valentina folgte ihrer Großmutter in die Diele.
„Was für ein komischer Vogel ist das denn?“, raunte Isolde. „Hat sich der seine Deutschbücher aus dem Antiquariat beschafft? Der redet, als käme er pfeilgrad aus einem anderen Jahrhundert.“
Valentina grinste schief, Isolde wusste ja gar nicht, wie richtig sie lag.
„Ja, er ist ein bisschen eigenartig, er will wohl besonders höflich sein.“ Ein Blick zum Flügel flüsterte ihr den rettenden Gedanken zu, der ihre Großmutter sicher rasch von Dorians Sprechgewohnheiten ablenken würde. „Aber er spielt Geige wie ein junger Gott.“
„Ach wirklich?“ Isoldes Augen strahlten auf.
Noch während sie auf den Pizzaservice warteten, bat Isolde Dorian prompt, etwas auf Phils Geige vorzuspielen. Mit einer gedrechselten Floskel kam der Junge ihrer Bitte nach. Schon die ersten Striche mit dem Bogen ließen die alte Dame in Andacht versinken. Mit geschlossenen Augen lauschte sie dem betörenden Spiel des jungen Mannes, das auch Phil und Valentina wieder ganz in seinen Bann zog.
„Wunderbar!“, hauchte ihre Großmutter, als Dorian die Geige abgesetzt hatte. „So tief empfunden habe ich dieses Corelli-Stück noch nie gehört. Eine ganz besondere Begabung! – Eine ganz außergewöhnliche Begabung! Wer hat dir beigebracht, so zu spielen?“
Dorian verneigte sich geschmeichelt. „Ein Lob aus Ihrem Munde, hochverehrte Madame, ist mir eine
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