Der letzte Werwolf
Augen. „Was gibt es Schöneres, als ein Sonnwendfeuer unter dem magischen Licht des Vollmonds.“
Drei Köpfe fuhren hoch. Und in jedem von ihnen hallten Isoldes Worte wieder: noch zwei Tage.
Als sie heimkamen, meldeten sich Isoldes Besorgnisse zurück. „Ich weiß nicht“, sagte sie und ließ die Rollläden an den Terrassentüren herunter. „Aber ich sehe immer noch dieses Gesicht vor mir. Irgendwie wirkte der Kerl geistesgestört. Hoffentlich bleibt er uns von der Pelle.“
„Herr Bozzi riecht den doch meilenweit“, sagte Phil. „Sobald dieser Typ um die Ecke kommt, ist er auf hundertachtzig.“
Isolde setzte sich in ihren Sessel. „Dein Wort in Herrn Bozzis Nase.“ Dann angelte sie die Spielkarten vom Couchtisch und hielt sie fragend hoch.
„Okay“, sagte Valentina und winkte Phil und Dorian zu sich, „von mir aus. Spielen wir eine Partie Rommé.“
Die Wohnzimmeruhr zeigte schon nach Mitternacht, als Isolde seufzend die Karten aufstapelte. „Es ist ganz schön spät geworden. – Phil kontrollier bitte noch mal, ob die Haustür von innen zugesperrt ist!“
Valentina stand auf und gab ihrer Großmutter einen Kuss. „Gute Nacht. Wenn es dich beruhigt, kannst du unseren Höllenhund ja mit hochnehmen.“
„Ein Hund gehört nicht ins Schlafzimmer“, sagte Isolde. Mit einer wegwerfenden Handbewegung fegte sie diese Richtschnur der Hundeerziehung aber gleich wieder vom Tisch. „Ach was, das soll mir heute völlig Wurst sein! – Komm, Herr Bozzi, Frauchen braucht Beistand!“
Seit sie das Haus betreten hatten, hatte sich für die drei noch keine Gelegenheit zu einem Austausch gegeben. Valentina gab den Jungs ein Zeichen. Beide fanden sich, nachdem Isolde ihre Tür zweimal geräuschvoll abgeschlossen hatte, in ihrem Zimmer ein. Zog Valentina sonst den romantischen Schein flackernder Kerzen vor, leuchteten heute sämtliche Lampen, als könnte die ungemütliche Helligkeit die dunkle Aura vertreiben, die so bedrohlich über ihnen lag.
Valentina saß im Bademantel auf der Bettkante und drückte ihr Kopfkissen an sich. „Ich hab das Gefühl, dass sich die Lage immer mehr zuspitzt.“
„Dies unerquickliche Gefühl erfüllt auch mich, liebste Valentina“, sagte Dorian. „Der Teufel ist mir auf der Spur.“
Phil, schon im Schlafanzug, ließ sich auf den Teppich vor Valentinas Bett sinken. „Aber wie, ich meine, wie konnte er dich überhaupt ausfindig machen? – Und jetzt taucht er auch noch hier bei uns zu Hause auf.“ Er schüttelte den Kopf. „Die arme Isolde!“
Ehe Dorian sich niederließ, nahm er den Dolch vom Gürtel und legte ihn nachdenklich auf Valentinas Schreibtisch. „Der Wolf, den mir ein dunkles Los zum Ahnen bestimmt hat, ist mit den Höllengeistern im Verein. So wie die Weißmagie des heiligen Ordens mich mit der Kraft des Lichtes schützt, so wirkt die Goetie, die bösen Mächte der Dämonen, auf jene, die von schwarzem Schlage sind.“
Valentina quetschte das Kissen so fest zusammen, dass ihr die Finger wehtaten. „Glaubt ihr, er weiß, dass wir den Dolch haben?“ Irgendetwas in ihr scheute sich, Dorians bösartigen Vorfahren beim Namen zu nennen.
Phil sah zu ihr hoch. „Möglich wär's. Vielleicht wollte er an den Dolch kommen … andererseits, wenn es stimmt, was wir gelesen haben, dürfte er es kaum wagen, den Silberdolch selbst zu berühren. – Vielleicht ging es ihm nur darum, uns in Angst und Schrecken zu versetzen. – So was nennt man psychologische Kriegsführung.“
„Das ist ihm jedenfalls gelungen!“ Valentina stöhnte.
Dorian tastete versonnen über die Ziselierungen der Dolchscheide. „Solang die Bestie nicht zum Wolfe wird, kann sie uns kaum bedrängen.“
Phil nickte. „In seiner Menschengestalt ist er auf die Fähigkeiten eines gehbehinderten alten Manns beschränkt. Du hast vollkommen recht. Gefährlich wird er erst …“
„Hört auf!“ Valentina presste das Kissen vors Gesicht. Einen Atemzug später ließ sie es wieder sinken. „Zwei Tage“, sagte sie heiser. „Zwei Tage.“
K APITEL 18
P hil erwachte mit einer Beklemmung, die ihm schier die Luft abdrückte. – Das Nachbild eines schlechten Traums? Verdammt, dachte er, als sich sein Bewusstsein ganz zurückgemeldet hatte. Kein Albtraum, sondern seine irrwitzige Realität saß ihm wie ein Dämon auf der Brust. Morgen war Sonnenwende. Der Johannistag, an dem sich alles entscheiden würde. Seine Gedanken fuhren Achterbahn. Was kam auf sie zu? Diese schreckliche Ungewissheit
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