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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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erinnern, sagte aber, wie sie es heute schon oft gehört hatten, er kaufe nie von Kindern.
    Schließlich blieb noch Piecek. Die orientalische Ladenglocke, die von der Decke baumelte, bimmelte Sturm, als sie die Tür aufstießen. Aber – und das war typisch für seinen Besitzer – Piecek hatte es nicht eilig, in den Verkaufsraum zu kommen, er war der Überzeugung, die Leute zögen es vor, erst mal ungestört zu stöbern, das wäre gut für den Verkauf. Dass er den Laden über eine kleine Kamera auch im Hinterzimmer im Blick hatte, wussten nur Kunden, die ihn so gut kannten wie Valentina.
    Anders als in den feinen Antiquitätengeschäften des Obermarkts herrschte hier ein fröhliches Durcheinander von Brauchbarem und Unbrauchbarem, Kitsch und Kunst. In den spärlichen Sonnenstrahlen, die sich in das kleine Schaufenster verirrten, tanzte der Staub der Geschichte. Der süß-modrige Geruch nach Damals, den Valentina so liebte, hing wie Nebel in der Luft. Wer sich auskannte, konnte hier kleine Schätze heben. Stücke teurer Porzellanmanufakturen, gestempelte Zinnbecher, Postkarten mit seltenen alten Marken, die unter ihren wertlosen Kollegen in abgewetzten Kartons schlummerten. In flachen Glaskästen lagen über- und untereinander Granatbroschen und Uhrenketten, echter Schmuck und Modeschmuck aus den letzten hundert Jahren. Aber auch hier – keine Spur von Dorians Amulett. Ein schwarzer Kater von beachtlicher Größe erhob sich gähnend und einen Buckel aufbäumend von einem ausgefransten Gobelinkissen, das wie ein buntes Nest zwischen Stapeln alter Bücher lag. Valentina ging auf ihn zu und kraulte ihn zwischen den Ohren. „Na, Salomon, kommt dein Herrchen heute gar nicht?“
    „Aber ja, da bin ich schon!“ Ein schmächtiger alter Herr mit wirrer mausgrauer Lockenmähne und einer dicken Nickelbrille, hinter der zwei helle kleine Augen gegen das Licht anblinzelten, schlurfte sichtlich verschlafen aus einem Nebenraum. Wie sein Kater gähnte auch er und zog dann die Hosenträger, die links und rechts seiner abgeschabten Cordhose wie Affenschaukeln nach unten hingen, über die Schultern.
    „Sieh an, meine beste Kundin!“, sagte er und zwinkerte Valentina zu. „Taschengeld bekommen?“
    „Leider nicht, Herr Piecek. Wir …“ Valentina nickte zu ihren Begleitern hin. „Wir haben ein kleines Problem und hoffen, Sie können uns weiterhelfen.“
    „Am Dienstag?“ Piecek kratzte sich am Kopf, als Valentina ihm von dem Diebstahl erzählt hatte. „Wartet mal!“ Er verschränkte die Arme und blickte sinnend zur Decke. „Also ich glaub, das war am Dienstag. Da ist tatsächlich so ein Wicht hier aufgekreuzt. Holzauge, sei wachsam!, hab ich gedacht, nicht dass noch was Beine kriegt. Ich kenn diese Schlawiner. Aber er hat sich gar nicht groß im Laden umgesehen. ‚Du kaufen!‘, hat er gesagt und aus der Hosentasche eine Kette gezerrt. Silbern war sie, den Anhänger hab ich mir allerdings gar nicht mehr genau angesehen. Dem Knaben stand alarmrot Bandito auf der Stirn geschrieben.“
    Dorian trat einen erregten Schritt vor. „Verehrter Monsieur, was taten Sie dann?“
    Der Trödler musterte den blonden Jungen überrascht. „Na, ich hab den Knilch natürlich sofort rausgeschmissen“, sagte er. „Keiner von den Händlern in der Straße würde so einem kleinen Ganoven was abkaufen. Da kommst du wegen Hehlerei ruck, zuck in Teufels Küche. – Ist so schon lästig genug, dass die Polizei regelmäßig durch die Läden zieht, wenn irgendwo eingebrochen wurde.“ Er bewegte energisch den Zeigefinger hin und her. „Ne, ne, nicht mit dem alten Piecek!“
    Phil seufzte. „Wissen Sie, wo er hingelaufen ist?“
    Piecek schüttelte den Kopf. „Den wiederzufinden, könnt ihr vergessen. Das sind Kinderbanden, die werden von Kriminellen zum Klauen abgerichtet. Taschendiebstahl, grundsätzlich nur Geld, alles andere ist viel zu umständlich loszuschlagen – hab mich sowieso gewundert, dass er eine Kette hat mitgehen lassen.“ Er machte eine grübelnde Pause. „Wie dem auch sei, die werden in Kleinbussen zu Veranstaltungen gekarrt, Märkte, Feste und so, Hauptsache viel Trubel. Und dann heißt die Parole“, Piecek machte eine rasche Handbewegung, als scheuche er eine Mücke weg, „nix wie weg!“ Bekümmert verzog er den Mund. „Tut mir leid, ich hätte euch wirklich gern weitergeholfen.“ Er wies mit einem bedauernden Lächeln auf eine Vitrine. „Eine Silberkette … Schaut euch mal um, vielleicht findet ihr ja

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