Der letzte Weynfeldt (German Edition)
selbstgemachten dünnflüssigen Kirschenkonfitüre, aber ohne Butter. Dazu trank er erst frischgepressten Orangensaft und danach eine Tasse Milchkaffee.
Gleich nach dem Frühstück rief er Baier an. Frau Almeida meldete sich und empfahl ihm, es unter der Handynummer zu versuchen. Herr Baier sei am Comersee, werde aber heute zurück erwartet. Weynfeldt versuchte es, und tatsächlich: Baier meldete sich. Er war gutgelaunt, erkundigte sich sofort nach dem Wetter, denn am Comersee sei es nicht frühlingshaft, am Comersee sei es sommerlich.
Weynfeldt konnte ihm versichern, dass auch er bei offenem Fenster gefrühstückt habe. Danach schwieg er.
»Ja?«, fragte Baier schließlich. »Was kann ich für dich tun?«
Adrian räusperte sich. »Ich muss mit dir über den Salamander reden.«
»Was ist mit ihm?«
»Das weißt du.«
Jetzt war es an Baier zu schweigen.
»Du seiest heute zurück, sagt Frau Almeida, wann?«
»Halb sechs.«
»Sagen wir um sieben?« Weynfeldt wunderte sich selbst über seine Entschlossenheit.
»Wo?«
»Bei mir.«
Véronique hatte zwei Anrufe für ihn. Der eine war von gestern, nachdem Weynfeldt das Büro verlassen hatte. Wieder dieser Gauguin, der den Schätzpreis des Vallotton wissen wollte und sie ausgelacht hatte, als sie wiederholte, es gäbe keinen Vallotton auf der Auktion. Oder gab es einen?
Der andere war von vor zehn Minuten. Eine Frau Doktor Widler. Sie bitte um Rückruf.
Weynfeldt wusste, worum es sich handelte. Er rief zurück und drückte sein Beileid aus und fragte, ob er etwas tun könne. Mereth Widler lehnte zum Glück ab.
»Es stimmt doch«, fragte Véronique in der Tür, »es gibt keinen Vallotton?«
»Nein, nein und nochmals nein«, konnte Adrian sagen und ihr dabei direkt in die Augen sehen.
Den ganzen Tag war er zerfahren und unkonzentriert. Am Vormittag schob er die Entscheidung vor sich her, ob er Strasser konfrontieren solle oder nicht. Am Nachmittag entschied er sich, dass es taktisch klüger wäre, das Gespräch mit Baier abzuwarten. Über Mittag ging er am See spazieren, wo es aussah wie in Woodstock ohne Regen.
Er war früh zu Hause. Frau Hauser und eine junge Asiatin, die er noch nie gesehen hatte, waren mit dem Abendessen zugange, das er bestellt hatte. Er zog sich um, holte sich ein Bier – etwas, was er selten tat, denn bei Bier stimmte das Verhältnis von Fahne und Alkohol nicht – und verzog sich ins Arbeitszimmer.
Das Bild stand im fahlen Dämmerlicht wie etwas Unsauberes, Gefährliches. Die Haut der knienden Nackten besaß den Glanz der Körper auf den Fotos, die man sich im Internat von älteren Jungen gegen Geld oder Zigaretten hatte ausleihen können.
Klaus Baier kam pünktlich. Um sieben klingelte es, und Weynfeldt fuhr mit dem Lift hinunter, um ihn einzulassen. Er fand ihn vor der Tür wartend in Gesellschaft eines Mannes, der eine große Zeichenmappe mit verstärkten Ecken trug. Am Bordstein stand ein Taxi mit offener Tür und blinkenden Pannenlichtern.
Der Mann war der Taxifahrer, der Weynfeldt die Mappe überreichte und von Baier bezahlt wurde.
Die beiden Männer fuhren stumm zur Wohnung hinauf, Weynfeldt führte seinen Gast direkt ins Arbeitszimmer und lehnte die Mappe an die Wand neben der Tür. Er nahm an, Baier habe sie mitgebracht, um die Fälschung nach der Aussprache wieder mitzunehmen.
Aber Baier schien das Verfahren abkürzen zu wollen. Er öffnete die schwarzen Verschlussbänder und faltete die grauen Pappen auseinander.
Die Zeichenmappe enthielt den echten Vallotton.
Weynfeldt war sich nicht sicher, ob er bereit sein würde, auf den Tausch einzugehen und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Aber Baier nahm das Bild heraus, humpelte zu einer leeren Staffelei, die neben Strassers ebenfalls ausgerahmtem Vallotton stand, und stellte den echten darauf. Dann wandte er sich Adrian zu, wie jemand, der für eine gelungene Leistung ein Kompliment erwartet.
Weynfeldt schwieg. Aber für sich musste er zugeben, dass Rolf Strasser hervorragende Arbeit geleistet hatte. Auch so, Seite an Seite mit dem Original, im unbarmherzigen Licht der Spots, hielt seine Fälschung zwar nicht jedem Vergleich stand, aber sie schnitt bemerkenswert ehrenvoll ab. Das Original war seltsamerweise eine Spur frischer als die Kopie, Strasser hatte beim künstlichen Alterungsprozess wohl etwas zu viel des Guten getan. Aber die Fälschung sah aus wie der Klon des echten Werkes. Sogar der Ausdruck, diese undefinierbare Eigenschaft jedes Kunstwerkes, kam dem
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