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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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hausgemachte klare Ochsenschwanzsuppe mochte. Kaum hatten sich Weynfeldt und sein Gast gesetzt, servierte die unbekannte Asiatin eine solche.
    Weynfeldt wartete ab, bis sich Baier zu Ende ausgelassen hatte über Frau Hausers Gedächtnis und Aufmerksamkeit und Kochkünste, und kam dann auf das Thema zurück. »Es gibt einen linken und einen rechten Vallotton. Einen alten und einen neuen. Aber einer davon ist immer falsch. Immer.«
    Baier begann, die Oxtail zu löffeln. Er musste sich tief über den Teller beugen, denn seine Hand zitterte. Weynfeldt sah nicht hin, er konzentrierte sich auf seine Suppe, um den Gast nicht in Verlegenheit zu bringen. Oder wenigstens nicht in diese.
    Nach ein paar Löffeln schob Baier den Teller zur Seite. »Es ist das gleiche Bild. Es ist die genau gleiche Umsetzung desselben Entwurfes in der gleichen Technik im gleichen Format.«
    Weynfeldt löffelte stumm weiter.
    »Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Entwurf nicht in zwei verschiedenen Köpfen entstanden ist, sondern in ein und demselben. Vallotton hat das Bild im Kopf entstehen lassen und von dort direkt abgemalt. Mein Mann hat ihn von dort indirekt abgemalt. Der Unterschied, mein lieber Kunstexperte, ist nicht materiell. Er ist ideell.«
    Frau Hauser und die Asiatin kamen herein und räumten die Teller ab. Frau Hauser kommentarlos den halbvollen von Baier. Kurz darauf brachten die beiden Frauen den nächsten Gang. Ravioli Ricotta mit Salbeibutter. Hausgemacht und so groß, dass nur drei Stück auf jedem Teller Platz fanden. Auch das, aus Baiers Reaktion zu schließen, eine Notiz aus Frau Hausers Kartei.
    Weynfeldt wartete, bis sie wieder allein waren. Dann sagte er: »Du rührst hier an die Grundfeste der Kunst, das weißt du. Das ist Fälscherlatein. Sag einfach, ich habe versucht, dich reinzulegen, und es ist mir misslungen.«
    »Ich rühre nicht an die Grundfeste der Kunst. Große Künstler haben gleich gedacht. Alte Meister haben ihre Schüler indirekt aus ihrem Kopf abmalen lassen und – völlig zu Recht – ihren Namen darunterschreiben lassen. Wie das unser Mann ebenfalls getan hat. Ich rühre an die Grundfeste deines Berufs. Das ist es, was du nicht zulassen kannst. Wenn sich meine Ansicht durchsetzt, kannst du zusammenpacken und ›Murphy’s‹ und alle anderen auch.«
    Er setzte sein Glas an, merkte, dass es leer war, und ließ sich von Adrian nachschenken. »Es gibt Leute, die haben die besseren Entwürfe im Kopf. Und es gibt andere, die können diese besser umsetzen. Hast du dir schon einmal überlegt, was in der Kunst alles möglich wäre, wenn diese beiden zusammenarbeiteten? Es würde mich nicht überraschen, wenn mein Mann der bessere Umsetzer wäre als unser Vallotton. Leider ist er dazu verdammt, dessen Entwurf nicht zu übertreffen. Stell dir vor, was für Kunstwerke entstehen würden, wenn die Fälscher die Künstler übertreffen dürften.«
    Auch von der Vorspeise aß Baier nur wenig. Weynfeldt wusste, dass jetzt Frau Hausers Coq au vin folgen würde, gehäutet und mit Speckstreifen in Cabernet Sauvignon geschmort, ein weiterer Klassiker für die Gäste aus Baiers Generation.
    Und so war es denn auch. Baier – inzwischen von der Lobhudelei und dem Alkohol etwas ermüdet – beschränkte sich auf ein paar Ausrufe des Entzückens und stocherte dann im rötlichen Hühnerfleisch, das sich bei der kleinsten Berührung von den Knochen löste.
    »Wenn es also egal ist«, fing Weynfeldt an, »ob das Werk vom Künstler oder vom Kopisten stammt, wenn es keinen materiellen Unterschied gibt, sondern nur einen ideellen: Weshalb hast du dann nicht die Kopie behalten?«
    Baier legte den Bissen, den er sich auf die Gabel drapiert hatte, in den Teller zurück. »Für alle ist es egal, außer für einen: für mich.«
    Er wischte sich den Mund ab wie jemand, der fertiggegessen hat, und legte die Serviette neben den vollen Teller. »Für mich – und nur für mich – ist der Unterschied auch materiell. Dieses Bild ist Teil meines Lebens. Es ist dieser Karton, diese Farbe. Unter dieser Patina ließen sich Fingerabdrücke meiner Eltern finden. Fingerabdrücke von mir als Kleinkind, als Knabe, als Pubertierender. Es trägt dieselbe Patina wie ich. Es hätte, wenn Bilder Erinnerungen haben könnten – und wer weiß, ob sie keine haben? –, dieselben Erinnerungen wie ich.«
    Er griff zum Weinglas und trank es leer bis auf den Daumenbreit der Alkoholiker. »Für den neuen Besitzer spielt es keine Rolle. Er beginnt ein

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