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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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sich von ihrer neuen Freundin, dem Moto-Guzzi-8V-Girl, zu einem Schuss Wodka im Mineralwasser überreden lassen, was diese nicht viel Mühe gekostet hatte.
    »Eccola!«, rief der Mann im Anzug aus. Ein Tusch von elektrischen Gitarren rockte über die Lautsprecher, und Lorena machte sich auf den Weg zum Podest. Sie beherrschte den Catwalk auch in hochhackigen spitzen Stiefeln. Auch in zu kleinen.
    Es dauerte vielleicht einen Tick zu lange, bis sie den Rand des Podests erreicht hatte, wo sie der Mann – ein Mann, der es nicht gewohnt war zu warten – erwartete, und ein kleiner Verfolgerspot hätte auch nicht geschadet, aber der Auftritt war gut. Der Mann half ihr hinauf, legte ihr einen Zipfel des roten Tuches in die Hand und griff sich den gegenüberliegenden und – ecco la!
    Rotglänzend wie ein angelutschtes Himbeerbonbon stand die Maschine im Blitzlichtgewitter. Lorena stellte sich daneben, liebkoste sie, schmiegte sich an sie, posierte auf ihr, blickte mal in diese Kamera, mal in jene, reagierte auf die Zurufe der Fotografen und kam richtig in Fahrt.
    Einer der Fotografen war halb auf das Podest gestiegen und gab ihr Handzeichen, die sie nicht verstand. Erst als ein anderer neben ihr das gleiche Zeichen machte und einer dahinter auch, begriff sie: Sie wollten, dass sie beiseiteging.
    Sie sah den Präsentator fragend an, dieser nickte. Sie ging ein paar Schritte zur Seite. Jetzt erst erreichte das Blitzlichtgewitter seinen Höhepunkt.
    Lorena stand neben dem Podest und wäre am liebsten in den Boden versunken. Da stieß sie ein jüngerer dicklicher Mann an und nickte ihr aufmunternd zu. Er trug drei Kameras um den Hals und hatte zwei Kamerataschen umhängen.
    »Presse. Wenn Sie nachher Zeit haben, würde ich gerne noch etwas nachschießen ohne die Amateure.« Er steckte ihr eine Karte zu mit einem Mädchen auf einem Motorrad. »Felix Scheiblin, Fotograf« stand darauf. Und die Zeitschrift, für die er arbeitete: »Bikes & Babes«.
    Nach Messeschluss lud das Ducelli-Team zum Cocktail ein. Lorena fuhr mit Miss Moto Guzzi 8V im Taxi von Luca, so hieß der Mann, der sie zum Ducelli-Girl gemacht hatte, und Franco, so hieß sein stämmiger Begleiter, ins Fairhill, das Messehotel in der Nähe.
    Dort in der Bar saßen schon zwei Mitarbeiter, ebenfalls in Begleitung zweier Grid Girls, Miss Kawasaki- ER -6f und Miss BMW .
    Die Bar war voller Aussteller und Einkäufer, die Kontakte knüpften und pflegten oder über Prospekten, Katalogen und Bestellformularen saßen, die Hand mit dem Glas in weiser Voraussicht weit von ihren Unterlagen weggestreckt.
    Luca bestellte Lorena ein Glas Champagner. Sie änderte die Bestellung in eine Bloody Mary, der beste Cocktail nach einem Tag ohne etwas Richtiges im Magen. Sie sah Luca an, dass er es nicht mochte, wenn man seine Entscheidungen umstieß.
    Es wurde ihr schnell klar, dass sie sich nicht auf einem Betriebsabend der Firma Ducelli befand und kein gemeinsames Abendessen geplant war. Bald verschwand der erste Mitarbeiter in Begleitung von Miss BMW , und als der Kellner Lorenas zweite Bloody Mary brachte, waren Moto Guzzi 8 V und Kawasaki ER -6f mit ihren Begleitern ebenfalls verschwunden.
    Luca ging raus, kam kurz darauf wieder, legte seinen Zimmerschlüssel auf das Tischchen und seine Hand auf Lorenas Oberschenkel. Weit oben, dort, wo sich der Saum ihres kurzen Kleides befand. Mit Lorenas Italienisch war es nicht weit her, und Luca sprach kein Wort Deutsch. Das wenige, das sie sprachen, sprachen sie auf Englisch.
    Lucas Rechte schob sich unter den Rocksaum, seine Linke zeigte auf die fast volle Bloody Mary. Er sagte: »Hurry up!«
    Lorena nahm das Glas und kippte es ihm über den Anzug. Seine weiße Hemdbrust verfärbte sich dunkelrot. Sie erhob sich und sah auf ihn hinunter. »Fast enough?« Er saß reglos in seinem Sessel, wie das Opfer eines Bandenkriegs.
    Erst als sie sich zum Gehen wandte, fasste er sich. Er schickte ihr einen Faustschlag hinterher, der sie hart in die Niere traf. Der Schlag raubte ihr den Atem, Tränen schossen ihr in die Augen, aber sie schritt hocherhobenen Hauptes aus der Bar.
    »Puttana!«, schrie er ihr nach. »Puttana di merda!«
    Lorena ging auf dem schmalen Gehsteig, der an der vierspurigen Straße entlangführte. Sie hatte die linke Hand an die Stelle gestützt, wo sie die schmerzende Niere spürte, und marschierte immer geradeaus. Ohne auf die Autos zu achten, die manchmal die Geschwindigkeit reduzierten und manchmal hupten. Schon zweimal hatte sie

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