Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Vorbild gespenstisch nahe. Das Urteil, mit dem der alte Wiener Professor Strasser vor Jahren vernichtet hatte, bestätigte sich wieder: Er war vielleicht kein Künstler, aber ein Könner war er zweifellos.
»Und wenn ich es nicht gemerkt hätte?« Es war außer der kurzen Begrüßung der erste Satz, den Weynfeldt an Baier richtete.
»Dann hätte es niemand gemerkt.«
»Da täuschst du dich. Wenn ich es nicht gemerkt hätte, dann nur, weil ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass du mir eine Fälschung unterjubeln würdest. Stell dir vor: Ich habe dir vertraut. Nie hätte ich gedacht, dass du, alter Freund des Hauses, mein Vertrauen so schamlos ausnutzen würdest.«
Es klopfte, und Frau Hauser trat ein. Sie werde später im grünen Salon etwas Warmes servieren, ob die Herren ihren Aperitif hier im Arbeitszimmer einnehmen wollten.
Ohne Adrians Antwort abzuwarten, bestellte Baier einen Cognac und einen Aschenbecher, als wäre er hier zu Hause. Er setzte sich auf den gelben Schalenstuhl aus Scobalit, der Weynfeldt als Bürostuhl diente, und zog ein ledernes Etui für drei Zigarren aus der Brusttasche.
»Es macht dir doch nichts aus«, stellte er fest, biss das Mundstück einer Havanna ab und begann sie zeremoniell in Brand zu setzen.
Es machte Weynfeldt sehr wohl etwas aus. Er hasste es, wenn es in seinem Arbeitszimmer nach abgestandenem Zigarrenrauch stank. Aber er würde nie einem Gast das Rauchen verbieten. Er erwartete von seinen Gästen einfach, dass sie in seinem Arbeitszimmer nicht rauchten.
Frau Hauser kam mit dem Cognac und schenkte Baier ein. Adrian brachte sie ein Glas vom Château Haut-Brion 2001, den er für das Abendessen ausgesucht hatte. Weynfeldt trank auch mit unwillkommenen Gästen gute Weine.
Baier tauchte das Mundstück der Zigarre in den Cognac. Eine widerliche Angewohnheit, fand Weynfeldt. Beide schauten die Bilder an.
»Ich verstehe«, begann Baier, »dass du dich betrogen fühlst. Aber ob du’s glaubst oder nicht: Ich wollte dich nicht betrügen.«
»Ach.«
»Es ist einfach passiert.«
Adrian wartete. Er hatte nicht vor, sich auf einen der niedrigen Freischwinger zu setzen und wie bei ihrem letzten Treffen zu Baier aufschauen zu müssen.
»Ärzte und Anwälte sind an ein Berufsgeheimnis gebunden. Wie steht es mit euch Kunstexperten?«
»Wir sind diskret«, sagte Weynfeldt nur.
»Ich bin mit diesem Bild aufgewachsen. Ich habe mit ihm mein ganzes Leben verbracht. Es fällt mir schwer, mich an meinem Lebensabend davon zu trennen. Ach was: Es bricht mir das Herz. So.«
»Warum tust du es dann?«
»Weil ich muss.«
»Verstehe«, sagte Adrian, obwohl er nicht verstand, wie einer wie Baier es so weit kommen lassen konnte. »Warum verkaufst du nicht ein anderes aus deiner Sammlung?«
»Ihr seid wirklich diskret, ihr Kunstexperten?«
»Wie die Beichtväter.«
»Sie sind schon verkauft.«
Einen Moment war Weynfeldt perplex. »Die Genferseelandschaft von Hodler hing doch vor ein paar Tagen noch.«
Baier schüttelte stumm den Kopf.
»Aber ich habe sie doch mit eigenen Augen gesehen.«
»Was deine eigenen Augen gesehen haben, war eine Reproduktion. Wie der Segantini. Und die Giacomettis. Und die anderen. Damit die Wände nicht so leer aussehen.«
»Du lässt deine Sammlung fälschen?«
»Nicht fälschen. Faksimiledrucke auf Leinwand. Kennst du doch. Macht ihr doch auch für Kunden, die sich schwer trennen können.«
»Aber das dort ist handgemalt.« Sie betrachteten die Vallottons durch den Zigarrennebel.
»Ein Druck wäre mir nicht echt genug.«
»Und die Kopie offenbar auch nicht.«
Baier widersprach. »O nein, im Gegenteil. Ich bin sehr angetan von ihr.«
»Warum hast du sie dann nicht behalten?«
»Deswegen. Weil sie so perfekt ist. Weil sie zum Verwechseln ähnlich ist. Ein Impuls, was weiß ich.« Baier leerte den Cognacschwenker. »Willst du nicht wissen, ob du an jenem Abend bei mir den linken oder den rechten Vallotton gesehen hast?«
»Den echten.«
»Es gibt keinen echten und keinen falschen. Es gibt nur einen linken und einen rechten, einen alten und einen neuen.«
In diesem Moment klopfte es, und Frau Hauser trat ein. Sie bat die Herren in den grünen Salon, es werde gleich serviert. Sie wartete, bis Adrian und der hinkende Baier den Raum verlassen hatten, und öffnete mit einem missbilligenden Kopfschütteln einen Flügel in der Glasfront.
Frau Hauser führte Buch über Weynfeldts Gäste. Dort hatte sie zum Beispiel notiert, dass Klaus Baier ihre
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