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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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bitte nach dem Ton eine Nachricht hinterlassen solle.
    Weynfeldt hinterließ keine Nachricht. Er hasste es, mit einer Maschine zu sprechen. Es machte ihn nervös, er hörte sich reden und verhaspelte sich. Er würde Baier gleich morgen früh anrufen. Morgens war es umgekehrt: Da gehörte Strasser zu der Generation, die man vor zehn Uhr nicht mit Anrufen belästigte.
    Er war mit einem Verveinetee zu Bett gegangen und beinahe eingeschlafen, als ihn ein Gedanke wieder hellwach werden ließ: Du bist von zwei angeblichen Freunden auf hinterhältige Art betrogen worden und überlegst dir, um welche Zeit man sie anrufen darf, ohne sie zu stören? Weißt du, was du hast? Einen irreparablen Erziehungsschaden.
    Er stand auf, schlüpfte in seine Lederpantoffeln, zog seinen Hausmantel aus dunkelblauem Kaschmir an, ging ins Badezimmer, kämmte sich, ordnete den Kragen des Pyjamas im Ausschnitt des Hausmantels und musterte sich im Spiegel.
    Der letzte Weynfeldt.
    Er schlenderte durch den langen Gang, vorbei an seinen musealen Räumen, zu einer Tür am Ende des Korridors. Adrian hob das Bild – eine Landschaft von Gustave Buchet –, das neben dem Türrahmen hing, etwas von der Wand weg, nahm den Schlüssel, der sich dahinter befand, von seinem Nagel und öffnete die Tür.
    Es war das Zimmer, in dem seine Mutter ihre letzten Jahre verbracht hatte. Weynfeldt hatte es – der einzige Punkt, in welchem er sich gegen Casutt durchgesetzt hatte – von der Totalrenovierung der Wohnung ausgeschlossen. Alles war so, wie sie es bei ihrem Tod hinterlassen hatte, abgesehen von dem Spitalbett. Das hatte er wieder gegen ihr Biedermeierbett aus Nussbaumholz ausgetauscht.
    Der Raum war mit einem Napoléon- III -Sofa, zwei Sesseln, einem Toilettentisch aus der gleichen Epoche, einem Schreib-und einem Aufsetzschrank möbliert. Zwischen den beiden von schweren Vorhängen flankierten Fenstern stand eine Vitrine mit ihrer Sammlung von Murano-Briefbeschwerern. Über dem Sofa – die zweite Änderung von Adrians Hand – hing das Porträt seiner Mutter, das früher seinen Platz im Wohnzimmer hatte. Es zeigte sie in vollem Ornat, wie sich Weynfeldts Vater auszudrücken pflegte, auf ebendiesem Sofa. Sie hatte die Arme verschränkt und ihre wachsamen Augen auf Adrian gerichtet, wo immer er sich in dem Raum befand. Oder auch außerhalb desselben.
    Das Bild stammte von Varlin. Es war mit fahrigen und doch präzisen Strichen gemalt, die wie zufällig an den Rändern des Bildes entstanden und sich in seiner Mitte unverkennbar und unbarmherzig zu dem zusammenfanden, was Luise Weynfeldt ausgemacht hatte.
    Adrian setzte sich auf die Bettkante, wie er es in ihren letzten Jahren so oft getan hatte. Im Zimmer roch es schwach nach Bohnerwachs und den Lavendelsäckchen, die Frau Hauser überall zur Verbesserung der Luft und Bekämpfung imaginärer Motten liegen, hängen und stecken hatte.
    Er betrachtete das Bild lange, halb nachsichtig, halb vorwurfsvoll. Dann stand er auf, deutete mit dem Zeigefinger auf sich und seufzte: »Irreparabler Erziehungsschaden.«
    Danach war er ins Bett zurückgegangen, eingedöst und wieder von einem Gedanken aus dem oberflächlichen Schlaf gerissen worden: Was, wenn er den Vallotton schon offiziell entgegengenommen hätte? Wenn er ihn schon ins Lager gebracht und Véronique gezeigt hätte? Seinem Chef. Den Presseleuten. Wenn er die anderen Niederlassungen, London, Paris, New York informiert hätte, sie sollten ihre Vallotton-Sammler schon einmal vorwarnen. Die Sache wäre aufgeflogen. Selbst wenn es ihm gelungen wäre, glaubhaft zu machen, dass keine böse Absicht dahintersteckte – die Blamage wäre vernichtend gewesen.
    Er versuchte seine Gedanken zu vertreiben. Aber wenn es ihm endlich gelungen war, sie vom Thema wegzuscheuchen, taten sie sich an einem anderen gütlich, das ihn nicht schlafen ließ. Doktor Widler, der greise junge Arzt seiner Mutter, der vielleicht in dieser Nacht seinen letzten Atemzug tat.
    Oder Lorena. Lorena außerhalb des Balkongeländers. Lorena im Spotlight. Lorena im Bett. An genau dieser Stelle, auf der er sich jetzt wälzte. Lorena nicht im Châteaubriand. Lorena nicht auf dem Anrufbeantworter. Lorena nicht am Telefon.
    Er saß wie an jedem Werktag um halb acht im hellen, mit Möbeln von Hans Eichenberger aus den fünfziger Jahren eingerichteten Frühstückszimmer, las Zeitung und aß die beiden Croissants, die Frau Hauser ihm auf ihrem Arbeitsweg in der Bäckerei Schrader besorgte. Mit ihrer

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