Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Ungleiche Paare wie Lorena und er, dachte Baier.
Sie bestellte kalten Hummer und Champagner, Baier einen Armagnac, einen doppelten. »Es stört Sie doch nicht?«, bemerkte er und machte sich daran, eine Zigarre anzustecken.
»Doch, doch«, antwortete sie.
»›Doch, doch, rauchen Sie nur‹ oder ›doch, doch, es stört mich‹?«
»Doch, doch, es stört mich, aber rauchen Sie nur.«
Baier lachte und setzte sein Feuerzeremoniell fort. Er kannte diese Art Frauen. Aber wie wohl Weynfeldt an die geraten war?
»Adrian ist ein prima Junge«, stellte er fest.
»Er ist nett.«
»Auch hier.« Baier rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
»Ich weiß. Ich war in seiner Wohnung.«
»Mit dem könnten Sie das Portemonnaie verlieren, sooft Sie wollen.«
»Bestellen Sie mir noch so etwas?« Sie zeigte auf den leeren Champagnerkelch. Baier winkte der mütterlichen, herausgeputzten Barmaid.
»Er vergöttert Sie. Ich sehe es ihm an.«
»Weshalb sagen Sie mir das alles?«
»Ich dachte, es könnte Sie interessieren.«
»Finanziell?«
»Auch.«
»Ich verdiene lieber mein eigenes Geld.«
Baier nickte nachdenklich. »Ich glaube, ich hätte da eine Idee, wie man das verbinden könnte.«
Die Barmaid brachte den kalten Hummer und ein frisches Glas Champagner. Als sie weg war, fragte Lorena: »Was verbinden?«
»Ihre Wirkung auf Adrian und Ihre finanzielle Unabhängigkeit.«
Sie schob einen Bissen des weißen Hummerfleisches ohne Cocktailsauce zwischen die Lippen. »Lassen Sie hören«, sagte sie mit vollem Mund.
18
Lorena erwachte mit Rückenschmerzen. Kopfschmerzen hatte sie keine. Vielleicht lag es an der Qualität des Champagners, den sie im Trafalgar getrunken hatte. Vielleicht stimmte aber auch, was sie kürzlich gelesen hatte: dass der Mensch angeblich immer nur einen Schmerz empfindet, der mögliche andere überdeckt. Vielleicht hätte sie Kopfschmerzen, wenn nicht ihr ganzes Schmerzempfinden von diesem Schmerz im Rücken in Anspruch genommen würde.
Ihr Radiowecker hatte sie sanft aus dem Schlaf gelockt. Sie stellte ihn immer so, dass sie die letzten zwei, drei Musiktitel vor den Nachrichten noch im Halbschlaf mitbekam. Sie hasste es, von den laufenden Katastrophen aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Das Wetter war das Hauptthema. Es war jetzt, um acht Uhr morgens Ende Februar, bereits zwölf Grad warm. Ohne Föhnlage. Bisher unveröffentlichte Teile des UNO -Klimaberichtes hielten die Klimakatastrophe für unabwendbar.
Lorena überlegte sich, was sie anziehen sollte. Falls sie überhaupt aufstand. Das war nämlich noch nicht entschieden. Ein weiterer Tag als Grid Girl in der dumpfen Welt der Motorradfreunde war nicht gerade verlockend. Ganz abgesehen von der Begegnung mit dem Ducelli-Arschloch. Aber sie hatte auch nicht die Absicht, der Agentur den Lohn für den gestrigen Tag zu schenken.
Am Ende der Nachrichten, nach einer Wetterprognose, die wie für einen schönen Tag im Juni klang, stand sie auf. Sie berührte die schmerzhafte Stelle am Rücken und spürte, dass der Schmerz nicht von der Wirbelsäule oder der Rückenmuskulatur herrührte.
Sie kletterte über Koffer, Taschen und Umzugsschachteln ins Bad und besah sich die Stelle mit ihrem Handspiegel.
In der Nierengegend prangte ein handtellergroßer fast schwarzer Fleck. Eine blutunterlaufene Stelle, die vom Schlag des Ducelli-Machos stammte. Sie entschied, doch zur Motorradmesse zu fahren. Ungeschoren würde ihr der Kerl nicht davonkommen.
Im Tram zum Messegelände nahm sie eine der Gratiszeitungen aus dem Dispenser und setzte sich vorsichtig auf einen der harten Sitze.
Auf der Titelseite war sie abgebildet. In aufreizender Stellung mit verführerischem Blick in die Kamera an die Ducelli geschmiegt. Die Bildlegende lautete: »Superbike mit ultratransparentem Chassis und drehmomentstarkem Motor – die neue Ducelli 7312.«
Sie las den Artikel aufmerksam. Auch im Lauftext war sie nirgends erwähnt. Nicht einmal als Accessoire, nicht einmal als Behinderung des freien Blickes auf die Maschine kam sie vor. Es war, als existierte sie nicht.
An der nächsten Haltestelle stieg sie aus und nahm das Tram, das sie zu den Büros der Agentur brachte, die ihr den Job vermittelt hatte. Sie würde ihr Geld für den gestrigen Tag verlangen und, falls die Schwierigkeiten machten, den Fleck auf ihrem Rücken zeigen und damit drohen, dass sie einen Riesenrummel um die Sache machen würde mit Nennung der Agentur und ihrer Kunden und allen Details.
Eine
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