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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Mutter.«
    »Und das ist tabu?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Aber es ist verschlossen.«
    Adrian holte den Schlüssel hinter dem Bild hervor, schloss auf und machte Licht.
    »Wow. Ganz anders.«
    »Ziemlich so, wie sie es eingerichtet hat.«
    »Du hast es so gelassen? Das finde ich süß.«
    Er schwieg. Süß hatte das bis jetzt noch niemand gefunden.
    »Aber auch ein bisschen unheimlich. Wie in diesem alten Film.«
    »Rebecca.«
    »Ist sie das?« Sie zeigte auf das Porträt.
    »Ja. Da war sie siebzig.«
    »Sie schaut einen an.«
    »Nicht wahr?«
    Lorena fixierte das Bild und ging im Zimmer umher. »Ich würde das nicht aushalten«, entschied sie dann.
    Seine Antwort überraschte ihn selbst. »Ich bin mir manchmal auch nicht sicher, ob ich es aushalte.«
    In seinem Arbeitszimmer sagte sie: »Wow! Zweimal das gleiche Bild.«
    »Félix Vallotton. Neunzehnhundert.«
    »Wer ist die Frau?«
    »Manche glauben, seine eigene.«
    »Ganz schöner Arsch.«
    Adrian lächelte. Sie war die Erste, die in seiner Gegenwart das aussprach, was alle beim Betrachten des Bildes dachten.
    »Aber schön. Ist es viel wert?«
    »Das Original schon.«
    »Ach, das sind Kopien?«
    »Nur eines.«
    »Und das andere ist das Original? Welches? Halt! Nicht sagen.« Sie näherte sich den Bildern, studierte sie, verglich sie und entschied sich dann für das linke. »Das!«
    »Fast.«
    »Das andere?«
    »Bravo!«
    »Und woran merkt man das?«
    »Zum Beispiel an der Unterschrift.« Adrian erläuterte ihr die Sache mit dem zweiten Punkt.
    »Nur an der Unterschrift merkt man es? Am Bild nicht?«
    »Am Bild schon auch.«
    »Nichts sagen, nichts sagen.« Sie ging mehrmals vom einen zum anderen und wieder zurück. Schließlich drehte sie sich zu ihm und seufzte: »Ich geb’s auf.«
    Adrian erklärte ihr die Unterschiede. Die Elastizität der Farbe, die Grundierung, der Wachsfirnis.
    Lorena hörte mit zunehmender Verwunderung zu. »Aber fürs Auge ist es dasselbe Bild.«
    »Fürs Auge vielleicht.«
    »Ich dachte, das sei es, worauf es ankommt in der bildenden Kunst: das Auge. – Hast du es gleich gemerkt?«
    »Nicht auf Anhieb. Aber bei näherer Untersuchung.« Sie sah ihn skeptisch an. Er wechselte das Thema: »Noch ein paar tausend Bläschen?«
    Sie folgte ihm mit ihrem leeren Glas ins Esszimmer und ließ es sich auffüllen. »Und weshalb hast du das Original und die Kopie?«
    Adrian ließ sich zu einer Indiskretion hinreißen: »Jemand braucht das Geld, kann sich aber nicht vom Original trennen. Er wollte, dass ich die Kopie in die Versteigerung gebe.«
    »Und?«
    Adrian verstand nicht.
    »Und? Tust du es?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Dachte ich mir.«
    »Wieso?«
    »Du bist so überkorrekt.«
    »Nicht bei einem Betrug mitmachen ist doch nicht überkorrekt.«
    »Das ist doch kein Betrug. Du hast es ja selbst nicht gemerkt.«
    »Nur nicht auf Anhieb.«
    »Moment.« Lorena verließ den Raum. Er hörte, wie sich ihre Schritte im Korridor entfernten und kurz darauf wieder näher kamen. Sie hatte die Handtasche geholt, öffnete sie jetzt, entnahm ihr ein kleines Schminktäschchen und diesem einen Lidstift, dessen Kappe sie entfernte. Sie ging zum Original, und Adrian erriet, was sie dort tat, obwohl ihre Hand von ihrem Oberkörper verdeckt war.
    Sie trat zwei Schritte beiseite, wie eine Malerin, die ihr Werk betrachtet, steckte die Kappe wieder auf den Stift und sagte: »Voilà. Jetzt sind sie identisch.«
    Weynfeldt schüttelte den Kopf. »Eines ist gefälscht.«
    »Jetzt sind beide gefälscht«, widersprach sie.
    Weynfeldt lachte. Ganz unrecht hatte sie nicht.
    »Was ist so etwas wert?«, wollte sie wissen.
    »Mit etwas auction luck zwei, drei Millionen.«
    »Wow! Allein dadurch, dass jemand für das Bild so viel bezahlt, wird es echt.«
    Nach einer kurzen Pause gestand Weynfeldt: »So habe ich es noch nie betrachtet.«
    »Siehst du.«
    Er schüttelte langsam den Kopf, als wollte er einem Gedanken den Zutritt verwehren.
    »Warum tust du es nicht.« Es war keine Frage, es war eine Ermutigung.
    »Es wäre einfach nicht okay«, antwortete er, sammelte sich kurz und brachte, nicht ohne leicht zu erröten, den schwerenöterischen Satz heraus, den er sich während des Rundgangs zurechtgelegt hatte: »Die Führung ist noch nicht ganz fertig.« Jetzt hätte sie fragen müssen: Was fehlt noch? Und er hätte geantwortet: das Schlafzimmer.
    Aber sie sagte: »Das Schlafzimmer sparen wir uns für die nächste Führung auf.«
    »Schade.«
    Sie versuchte seinen

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