Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Küsschen, als begegneten sie sich bei einer Cocktailparty. Sie roch nach einem teuren, etwas matronenhaften Parfum und einem Pfefferminzbonbon, mit dem sie wohl die Spuren eines Drinks verwischen wollte.
Dies war nun das fünfte Mal, dass er ihr begegnete, und jedes Mal war sie anders. Lasziv und resigniert beim ersten Mal im La Rivière. Bitter und lebensmüde am nächsten Morgen. Mondän und durchtrieben nach dem Ladendiebstahl. Hilfsbedürftig und zerzaust gestern vor der Haustür. Und jetzt? Aufgekratzt? Zielstrebig? Gekünstelt?
»Wenn ich dich gleich meiner Haushälterin vorstelle, wie heißt du noch?« Er hatte sich die Frage schon beim Umziehen ausgedacht. Es würde ihm helfen, sie wiederzufinden, falls sie ihm auch diesmal ihre Adresse oder Telefonnummer vorenthielt.
»Lorena reicht, mein Familienname ist furchtbar.«
Er führte sie ins Esszimmer, wo sie über die Vorbereitungen in übertriebenes Entzücken ausbrach, das von Frau Hausers Erscheinen unterbrochen wurde.
»Lorena, darf ich dir Frau Hauser vorstellen. Frau Hauser: Lorena.«
Frau Hauser gab ihr die Hand, als stünde ihr Entschluss, Adrians Gast nett zu finden, schon lange fest.
Lorena lobte die Tischdekoration und den Blumenschmuck. »Dabei habe ich Adrian gesagt, er solle keine Umstände machen.«
Frau Hauser lächelte. »Machen Sie sich keine Gedanken, es gibt nur etwas Einfaches.«
Sie entschuldigte sich, und Adrian öffnete den Champagner, der im silbernen Eiskübel stand.
»Louis Roederer Cristal ist mein Lieblingschampagner. Weißt du, warum? Die Bläschen sind so winzig. Je kleiner die Bläschen, desto mehr davon haben Platz im Mund. Und beim Champagner geht es ja vor allem um die Bläschen.«
Sie stießen an und tranken einen Schluck. Lorena schloss die Augen. »Ich wette, so eine Flasche hat mindestens so viele Bläschen wie zehn Flaschen billigerer Champagner.«
»Mindestens«, bestätigte Weynfeldt.
»Und was kostet die Flasche?«
»Keine Ahnung.«
»Über zweihundert Franken, schätze ich.«
»Wahrscheinlich schon.«
»Bei zehnmal mehr Bläschen immer noch ein fairer Preis.«
Frau Hauser hatte den Tisch so gedeckt, dass sie sich in der Mitte der Längsseite gegenübersaßen. Sie brachte den Kaviar: Er befand sich in einer Kristallschale, die in eine Silberschüssel voller Eis gebettet war; schon Adrians Mutter hatte sie benutzt. Das Besteck war aus Silber, aber die Teile, die mit dem Kaviar in Berührung kamen, waren aus Perlmutt gearbeitet.
Frau Hauser servierte die klassischen Zutaten dazu, gehacktes Eigelb und Eiweiß, gehackte Zwiebel, Zitrone, plus Buchweizenblinis, Kartoffeln und Sauerrahm.
Lorena bediente sich mit der Selbstverständlichkeit einer russischen Großfürstin. Bei den Beilagen hielt sie sich zurück.
Als Frau Hauser die gegrillten Kobe-Steaks brachte, lachte Lorena. »So wörtlich hättest du das nicht zu nehmen brauchen.«
Mit einem Seitenblick auf die Haushälterin antwortete er: »Es war auch im Sinn von Frau Hauser. Je teurer die Rohstoffe, desto einfacher die Zubereitung.«
Sie blieben beim Champagner. Auch zum Dessert, mit dem Frau Hauser den Gegenbeweis antrat, dass sie den Aufwand der Zubereitung nicht scheute: Konfekt in fünf verschiedenen Sorten. Nachdem sie es auf den Tisch gestellt hatte, verabschiedete sie sich für den Abend.
Lorena sah animiert aus. Die Sommersprossen – der frühlingshafte Februar hatte ein paar neue entstehen lassen – hoben sich nicht mehr so deutlich ab wie bei ihrer Ankunft. Adrian hatte längst eine zweite Flasche geöffnet, und auch in dieser war nun nicht viel mehr als ein Glas übrig.
Sie hatte ihn während des ganzen Essens über seinen Beruf ausgefragt. Er hatte ihr mit wachsender Begeisterung erzählt, denn sein Beruf war vielleicht das einzige Thema, das ihn wirklich interessierte.
Über sie hatte er so gut wie nichts erfahren.
Adrian ging in die Küche und kam mit einer neuen Flasche Champagner zurück. Während er sie mit seinen zwei linken Händen öffnete, fragte sie: »Zeigst du mir die Wohnung?«
»Das habe ich doch schon.«
»Damals war ich nicht so – aufnahmefähig.«
Sie wanderten, jeder mit einem Champagnerkelch in der Hand, durch die stillen Räume, in denen Weynfeldts Erläuterungen zu den Bildern und Möbeln widerhallten wie der Monolog eines Museumsführers. Von Lorena war au-ßer ihrem gelegentlichen »Wow« oder »Super« wenig zu hören.
Aber dann: »Und was ist hier drin?«
»Nichts. Das war das Zimmer meiner
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