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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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und vergaß, als er sich erhob, um Karin Winter zu begrüßen, den Knopf seines Jacketts zuzuknöpfen.
    Aber er erhielt nicht mehr Aufmerksamkeit als an den übrigen Donnerstagen. Und so ging dieser nicht als der Tag in die Geschichte der Donnerstage ein, an dem mit Weynfeldt eine Veränderung vorgegangen war. Sondern als der Donnerstag, an dem Strasser nicht auftauchte.
    »Wissen Sie, was hundert Gramm Kobe-Fleisch kosten?« Frau Hauser sah aus, als hätte sie den ganzen Tag darauf gewartet, Adrian diese Frage zu stellen.
    »Ziemlich teuer, nehme ich an.«
    »Dreiundvierzig!« Sie sah ihn triumphierend an. »Für Kuhfleisch!«
    »Das sind Wagyu-Rinder. Die wachsen extrem langsam.«
    »Gegessen hat man sie gleich schnell.«
    »Die Tiere werden täglich massiert und trinken Bier.«
    »Für das Geld könnten die Champagner saufen.«
    Adrian musste lachen.
    »Nie hätte Ihre Mutter erlaubt, dass man so viel Geld für ein Rindsplätzchen ausgibt.«
    »Meine Mutter hat für mehr Geld Kaviar verdrückt als viele Leute in ihrem Leben verdienen.«
    »Kaviar! Wir sprechen von Kühen!«
    Frau Hauser hatte im Esszimmer aufgedeckt. Sein Großvater hatte den Raum im Jahr 1905 umbauen lassen. Er besaß auf der Längsseite vier Fenster zur Straße und gegenüberliegend zwei Türen, von denen die eine auf den Korridor, die andere ins Office und die Küche führte. An jeder Schmalseite befand sich ein Kamin, jeder das Spiegelbild des anderen, mit dunkelgrünem und weißem Marmor im geometrischen Jugendstil verkleidet und in die Täfelung eingelassen, die dieses Muster mit Quadraten aus hellen und dunklen Holzarten aufnahm und im ganzen Zimmer weiterführte.
    In der Mitte des Raumes hatte früher ein Tisch mit vierundzwanzig Stühlen im gleichen Stil gestanden. Dieser Teil der Einrichtung befand sich mit vielen anderen Stücken des ursprünglichen Mobiliars in einer Lagerhalle. Weynfeldt hatte sie durch zwei Klassiker des Schweizer Designs aus den fünfziger Jahren ersetzt: den schlichten Auszugstisch von Ulrich P. Wieser aus schwarzlackierten Eisenprofilen und massivem Nussbaum. Und Stühle von Willy Guhl mit Joncgeflecht und schwarz lackierter Buche.
    Eine Anrichte aus unbehandeltem Eschenholz und ebenfalls schwarzlackiertem Rahmen füllte fast den ganzen Abstand zwischen den Türen aus. Zwischen den Fenstern standen weitere Einzelstücke von Schweizer Möbeldesignern.
    An den Wänden hingen ausschließlich Früchte-und Küchenstillleben von Schweizer Künstlern des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts.
    Frau Hauser hatte den Tisch festlich gedeckt und mit Tulpen dekoriert; auch auf den Kaminsimsen und Anrichten standen Tulpensträuße in prallvollen Vasen. Adrian hatte ihr nicht verraten, wen er zum Essen erwartete, aber so, wie sie das Zimmer vorbereitet hatte, schien sie zu wissen, dass es sich um eine Dame handelte.
    Auch die Art, wie sie ihn empfangen hatte – ihn mit gespieltem Ernst ausgeschimpft –, war ein Zeichen dafür, dass sie mit einem Damenbesuch rechnete und sich darüber freute. Er war sicher, dass seine Mutter sie in ihren Verdacht, er sei schwul, eingeweiht hatte. Ein Verdacht, den er in boshafter Absicht nie zerstreut hatte. In Frau Hauser lebte die Hoffnung seiner Mutter fort, dass Adrian nicht der letzte Weynfeldt bleiben würde.
    Er zog sich um für das Abendessen. Ein Brauch, dessen Aussterben er bedauerte. Wenn er in der Welt seines geliebten Somerset Maugham gelebt hätte, wäre er einer jener alleinstehenden Verwalter auf einer vergessenen Insel gewesen, die jedes ihrer einsamen Abendessen im Smoking einnahmen.
    Er zog zwar keinen Abendanzug an, aber einen klassisch geschnittenen dunkelgrauen, dem Wetter entsprechend aus Kammgarn-Sommer-Cashmere, und dazu ein paar schwarze, glatte Derbys aus weichem Anilin-Calf, mit denen ihn sein ungarischer Schuhmacher aus Wien versorgte.
    Kurz vor halb acht begann er damit zu rechnen, dass Lorena nicht auftauchen würde. Und kurz nach halb acht begann er sich einzureden, dass es ihm egal wäre. Um Viertel vor klingelte sie.
    Sie trug das geklaute Prada mit dem runden Ausschnitt und dem schmalen Schlitz bis zum Rippenbogen, schwarze Plateauschuhe – trug man wieder Plateauschuhe? – mit über den Knöcheln gekreuzten Riemen. Um ihren Kopf war straff ein schwarzes Seidentuch gebunden, das ihr Haar hinter den Ohren auf die Schultern fallen ließ. Ihre Ohren standen etwas ab, was ihn, er wusste nicht, warum, ein wenig rührte.
    Lorena begrüßte ihn mit drei

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