Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Möbeln und ihren Bildern, kochte komplizierte ovo-lakto-vegetarische Rezepte aus ihren nie benutzten Kochbüchern und richtete sich für die Zukunft auf ein normales Leben ein. Sie trank keinen Alkohol und fand Geschmack an einem Dasein ohne Partys.
So verknallt war sie gewesen, dass sie seine Marotten bedingungslos und treuherzig akzeptierte. Vor allem die Telefonmarotten hätten ihr zu denken geben sollen. Es war ihr zum Beispiel verboten, in der Wohnung das Telefon abzuheben, und wenn sie einen Anruf machte, musste sie ihr Handy benutzen, dessen Rechnung er dafür übernahm. Er selbst besaß kein Handy, und wenn er verreiste, was oft geschah, denn er hatte in Berlin noch ein Projekt laufen, hinterließ er ihr keine Kontaktnummer und rief sie auch so gut wie nie an.
Bis eines Tages Ilse in der Tür stand und ihr die Fotos von Rebecca, 11, Klaus, 8, und Gabi, 3, zeigte und ihr, nicht ohne Mitgefühl, nahelegte, sich so rasch wie möglich eine eigene Bleibe zu suchen.
Als Lorena darauf bestand, dies aus Günthers Mund zu hören, führte Ilse sie ans Fenster mit den Worten: »Mein Mann ist leider nicht sehr gut in diesen Dingen.«
Dort unten stand er neben einem senfgelben Volvo Kombi, schaute zu ihnen herauf und hob hilflos die Schultern.
Als Ilse gegangen war, leerte Lorena Günthers Bücherkartons und füllte sie mit ihren Sachen, räumte ihr Zimmer, bestellte ein Warentaxi und nahm das Haushaltsgeld aus der Schublade an sich. Es sollte für den Transport in eine Lagerhalle und ein paar Nächte im Hotel reichen.
Bevor sie ging, schüttete sie den Inhalt von sechzehn Dosen Pelati aufs Bett und verzierte die Bescherung mit der gesamten Basilikumernte des Küchenbalkons.
So viel zu Günther.
Lorena drehte den Wasserhahn zu, wickelte das Tuch wieder darum, ging zum Kühlschrank und nahm die Bierflasche heraus.
21
Der Shop war groß und hell und voller Leute. An mehreren Theken stand Verkaufspersonal und bediente die Kunden. Entlang der Wände waren Handys ausgestellt.
Weynfeldt hatte die Nummer 418 gezogen und wartete, bis diese auf der elektronischen Anzeige aufleuchtete.
War er verliebt? Ein bisschen verknallt schon. Er hatte noch nie eine Frau wie Lorena kennengelernt. So direkt. So ruchlos. Und doch so – unschuldig? Quatsch.
Klar, sie spielte mit ihm. Aber spielte er nicht mit, indem er mit sich spielen ließ? Es brachte Gefühle zurück, die er seit seiner Jugend, seiner Zeit als Teenager nicht mehr gekannt hatte. Damals spielten die Mädchen mit den Jungen. Ließen sie zappeln. Erschienen nicht zum Rendezvous. Ließen durch Freundinnen ausrichten, sie liebten sie nicht mehr. Baten sich Bedenkzeit aus. Verweigerten Küsse und das wenige andere, das man sich damals traute.
Er fühlte sich wie damals: zwischen Hoffen und Bangen, himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.
Ab und zu entstand Bewegung unter den Wartenden, wenn der Verkäufer endlich wieder jemanden fertigbedient hatte. Und von Zeit zu Zeit drang das elektronische Dingdong der Nummernanzeige in seine Tagträume.
Die Ähnlichkeit mit Daphne verlor sich, je öfter er Lorena sah. Es waren vor allem ihre Haare, die helle Haut und der Mund. Ja der Mund, der, wenn man ihn auf einem Foto um hundertachtzig Grad drehte, beinahe gleich aussah.
Aber sonst? In ihrer Art waren sie so verschieden, dass die äußerliche Ähnlichkeit verblasste.
Dingdong, machte die Nummernanzeige. Noch sechs Kunden bis zu seiner Nummer.
»Du solltest dir tatsächlich ein Handy kaufen«, stöhnte Véronique, als Adrian mit zweieinhalb Stunden Verspätung ins Büro kam. »Herr Baier hat schon viermal angerufen. Es sei superdringend. Du wüsstest, worum es geht.«
»Deshalb komme ich ja zu spät«, erwiderte Weynfeldt. »Wegen diesem verdammten Handy.« Er legte die Tragetasche mit dem Handy auf ihr Pult. »Aber frag mich nicht, wie das Ding funktioniert.«
»Wenn du dieses Büro verlässt, weißt du, wie es funktioniert«, strahlte Véronique und begann das Gerät auszupacken.
»Was ist so dringend für Herrn Baier?«, wollte sie wissen.
»Kennst du den Vallotton ›La Salamandre‹?«
»Den Rückenakt vor dem Ofen?«
»Er hat ihn von seinen Eltern geerbt und will ihn auf seine alten Tage verkaufen. Er kommt in die Auktion.«
»Also doch. Hatte Gauguin doch recht.«
Weynfeldt brauchte nichts darauf zu erwidern, denn jetzt rief Véronique: »Jesses, was haben die dir denn da für eine Telefonkabine angedreht?« Sie hielt Weynfeldts neues Handy in die
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