Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Rechnung verlangte.
Gleich nach dem Essen ging Weynfeldt nach Hause. Auf der Diele vor dem Wohnungseingang waren Baumaterialien gestapelt. Der Boden bis zum zukünftigen Fitnessraum war mit Floorliner ausgelegt. Die Handwerker hatten früh am Morgen damit begonnen, das Parkett herauszureißen. Adrian hatte im Frühstückszimmer gesessen und versucht, das brutale Klopfen, Knarren, Knirschen und Splittern zu überhören.
Frau Hauser, die, seit er ihr seinen Entschluss zu diesem Umbau gestanden hatte, seltsam still und nachdenklich war, kam ins Zimmer und sagte: »Ich habe nachgedacht: Ich finde es gut, das mit dem Zimmer.«
Adrian glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Sie finden es gut, dass ich das Zimmer meiner Mutter in einen Fitnessraum umwandle?« Von Frau Hauser hätte er zuallerletzt Unterstützung bei seinem späten Ablösungsprozess erwartet.
»Ja. Weil es für Ihre Gesundheit ist. Es ist im Sinn Ihrer Mutter.«
Der Staub, der durch das Herausreißen des Parketts und das Freilegen des Unterbodens entstanden war, besaß einen eigenartigen Geruch. In das Alte und Muffige mischte sich der Duft von frischzersägtem Holz. Beim großen Umbau vor vier Jahren wurden zwischen den Nagelleisten Zeitungsseiten aus dem Jahr 1893 und eine halbvolle Dose Schnupftabak gefunden.
Aber heute ging Adrian direkt in sein Arbeitszimmer. Er war nicht neugierig auf das Innenleben des Parketts seiner Mutter.
Er machte Licht und drückte auf die Playtaste der Anlage. Noch immer lag J.J. Cale in der CD -Schublade. Als er das letzte Mal lief, hatte er entdeckt, dass Baiers Vallotton gefälscht war. Jetzt waren die beiden Staffeleien leer, auf denen der echte und der falsche so verwechselbar nebeneinandergestanden hatten.
Er dachte an Lorena und ihren denkwürdigen Ausspruch: »Allein dadurch, dass jemand für ein Bild so viel bezahlt, wird es echt.«
Weynfeldt zog seinen Mantel an und ging nochmals aus. In letzter Zeit hatte er damit begonnen, die Passivität seines Wartezustands mit einer Aktivität zu unterbrechen, immer der gleichen: Er ging ins La Rivière, wo er Lorena zum ersten Mal begegnet war. Weniger in der Hoffnung, sie dort zu treffen, als im Vertrauen darauf, dass der Barman es ihm sagen würde, falls sie dort aufgetaucht wäre. Ungefragt sagen würde, denn fragen würde er ihn nie.
Er ging durch die fast leeren Straßen, in denen der Föhn mit den letzten schmutzigen Schneeüberresten aufräumte. Ein Tram fuhr vorbei. Im grellen Licht der Wagenbeleuchtung saßen ein paar Passagiere, müde und ernst.
In Sichtweite des La Rivière löste sich eine Gestalt aus dem Schatten einer Hauswand. Weynfeldt erschrak, aber dann erkannte er den Mann. Ein Drogenabhängiger, der seit Jahren in dieser Gegend die Passanten um ein paar Franken anbettelte. So spät hatte ihn Adrian noch nie angetroffen. Er musste einen unergiebigen Tag gehabt haben. Weynfeldt gab ihm zehn wie immer, und sie wünschten sich eine gute Nacht.
Das La Rivière war schlecht besetzt. Es war Mittwoch, keine Live-Musik. Er nickte dem Barman zu, setzte sich an seinen Stammplatz und wartete auf seinen Martini. In letzter Zeit begnügte er sich nicht nur mit der Olive.
Er hatte sich vorgenommen, nur einen zu trinken und wieder zu gehen. Aber dann bestellte er doch einen zweiten.
Gerade als der Barman ihn brachte, klingelte sein Handy.
Weynfeldt griff in die Handytasche im Futter seines Jacketts, die Diaco ihm nach und nach in alle seine Anzüge nähte. Er las »Unbekannte Nummer« auf seinem Display, drückte auf die richtige Taste, so, wie er es immer wieder geübt hatte, und meldete sich.
Er war nicht überrascht, dass es Lorena war. Sie stellte die Handyfrage, über die er sich so oft lustig gemacht hatte: »Wo bist du?«
»Im La Rivière.«
»Können wir uns treffen?«
»Gerne. Wo?« Er hörte sie mit jemandem sprechen. Eine Männerstimme. Dann: »Ich gebe dir jemanden.«
»Stimmt es, dass Sie ihr fünftausend Franken leihen, wenn sie Sie darum bittet?«, fragte der Mann.
»Wer spricht, bitte?«
»Jetzt gleich? Stimmt das?«
»Wer spricht, bitte?« Weynfeldt hörte den Mann sagen: »Gibt keine Antwort, vergiss es.« Dann wieder Lorenas Stimme. Sie klang etwas verzweifelt: »Sag ihm, dass es stimmt, bitte.« Und dann leise: »Sonst dreht der durch.«
Wieder die Männerstimme, grob: »Also, was ist jetzt?«
»Ich leihe ihr fünftausend Franken. Aber jetzt gleich ist nicht ganz einfach. Es ist kurz vor Mitternacht.«
»Sie haben doch bestimmt
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