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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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auch Lorena.
    Sie waren vor Adrians Haustür angekommen. Er wickelte das komplizierte Eintrittsprozedere mit Schlüssel und Badge ab.
    »Geht dir das nicht manchmal auf den Wecker?«, wollte sie wissen.
    »Manchmal schon. Aber es gibt dir auch ein Gefühl von Sicherheit. Ganz angenehm, wenn du allein wohnst.«
    »Bist du ängstlich?«
    Die Frage überraschte ihn etwas. Aber dann antwortete er: »Ein bisschen schon.«
    Im Aufzug fragte sie: »Hast du viele solcher Häuser?«
    »Nein.«
    »Aber mehrere?«
    Weynfeldt hatte ein zweites Bürohaus geerbt, noch etwas größer als dieses, auch erste Lage, ganz in der Nähe. Aber das wussten nicht viele Leute. Und niemand aus seinem jüngeren Bekanntenkreis. Und zu diesem gehörte unbestritten auch Lorena. »Nein«, antwortete er einfach.
    Beim Betreten der Wohnung fragte Lorena: »Baust du?«
    »Nur ein kleiner Umbau eines Zimmers.«
    »Welches?«
    »Dort hinten«, antwortete er vage.
    Adrian hatte seit Lorenas letztem Besuch immer einen kleinen Vorrat an Louis Roederer Cristal auf dem Eis. Für genau diese Gelegenheit. Aber als er sie fragte, ob sie Lust auf ein paar hunderttausend winzige Bläschen habe, antwortete sie: »Heute ist eher ein Gin-Fizz-Abend.«
    »Ich weiß nicht, wie man Gin-Fizz macht.«
    »Aber ich.« Der Weg in die Küche führte am Zimmer seiner Mutter vorbei. Die Tür fehlte, im Türrahmen hing ein Staubvorhang aus durchsichtigem Plastik.
    »Ach, das Zimmer deiner Mutter baust du um. Was wird daraus?«
    »Ein Fitnessraum.«
    Sie sah ihn verwundert von der Seite an.
    Er beobachtete sie, wie sie die Drinks zubereitete, Gin, Eis, Zitronensirup, Soda, Zuckersirup in den Shaker maß und schüttelte wie ein Profi.
    »Wo hast du das gelernt?«
    »Das war mal mein Beruf.«
    »Barmaid? Erzähl.«
    »Das willst du nicht wissen. Wo trinken wir das?«
    »Wo du willst, du kennst ja die Wohnung.«
    »In deinem Arbeitszimmer.«
    Der Föhn hatte den Himmel saubergefegt, und ein blasser Mond warf sparsam sein Licht durch die hohe Glasfront in den Raum. »Nein, kein Licht«, bat sie, als er die Hand nach dem Schalter ausstreckte.
    Sie setzten sich und nippten schweigend an ihren Longdrinks. »Hast du’s getan?«, fragte sie endlich und zeigte auf die leeren Staffeleien.
    »Ja.«
    »Welches von beiden?«
    »Da es ein und dasselbe ist, kommt es nicht darauf an«, antwortete Weynfeldt.
    »Stimmt.«
    Sie nahmen sich Zeit mit den Drinks. Dann setzte sie sich auf seinen Schoß und küsste ihn. Er roch den Gin und eine Ahnung ihres etwas matronenhaften Parfums.
    »Vielleicht könnten wir heute die Führung abschließen«, schlug sie vor.

25
     
    »Oh!«, stieß Frau Hauser aus und machte die Tür wie der zu. Weynfeldt hatte ihr Klopfen nicht gehört.
    Im Zimmer herrschte Halbdunkel. Die Vorhänge waren vorgezogen, die Nachttischlampen gedimmt. Der Wecker warf 08:22 an die Decke.
    Sie lagen beide auf dem Federbett. Er mit dem Kopf am Fußende, Lorena umgekehrt. Er konnte sich das Bild vorstellen, das sich Frau Hauser bot.
    Vor etwa vierzig Jahren hatte sie einmal das Badezimmer seiner Eltern betreten, ohne anzuklopfen, und seinen Vater, wie dieser oft und gerne erzählte, zu ungewohnter Stunde nackt überrascht. »Ich muss schon bitten!«, habe er ausgerufen. Und sie habe geantwortet: »Ja glauben Sie, ich hätte noch nie einen nackten Mann gesehen?«
    Diesmal hatte sie sogar einen nackten Mann mit einer nackten Frau gesehen. Wahrscheinlich hatte sie sich gewundert, dass er nicht zum Frühstück erschienen war. Vielleicht sich sogar Sorgen gemacht.
    Er betrachtete Lorenas Füße neben seinem Kopf. Diesmal waren alle Nägel im gleichen Chinarot lackiert. Nicht wie damals, als sie rot, gelb, grün, blau und violett zwischen Balkonboden und Geländer hereinragten.
    Er betrachtete den weißen, an Halsausschnitt und Unterarmen sommersprossengetupften Körper, mehr mager als schlank, mehr schutzbedürftig als sinnlich, und stellte ihn sich gemalt vor. Schwarz und breit umrissen von Ferdinand Hodler, aus Farben, Schatten und Reflexen von Giovanni Giacometti, realistisch und doch grafisch, großflächig und doch detailliert von Félix Vallotton.
    Er stand leise auf, schlüpfte in Hausmantel und Pantoffeln und verließ das Zimmer. Jetzt hörte er den gedämpften Lärm des Umbaus. Die Handwerker hatte er ganz vergessen. Einen Moment war er versucht, sich ins Schlafzimmer zurückzuziehen, sich zu duschen und anzuziehen. Aber dann sagte er sich: Schließlich befinde ich mich in meiner

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