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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Karten, mit denen Sie an einem Geldautomaten fünftausend rausholen können.«
    Daran hatte Adrian nicht gedacht. Natürlich hatte er solche Karten. »Ja, habe ich.«
    »Ecke Poststeg und City-Straße gibt es ein Cash Center, kennen Sie es?«
    »Ja.«
    »Wann können Sie dort sein?«
    »In zehn Minuten.«
    »Dann in zehn Minuten.«
    Weynfeldt bezahlte, nahm den Mantel von der Garderobe und zog ihn auf der Straße im Gehen an.
    Der Föhn ließ die Drahtseile der unbeflaggten Fahnenstangen klappern, die das Flussufer säumten. Die vertäuten Ausflugsboote schlugen in unregelmäßigen Abständen hohl gegen die Bootsstege. Weynfeldt hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben und ging geduckt gegen den Wind an. Er war gleichzeitig besorgt und freudig erregt. Was waren das nun wieder für Schwierigkeiten, in denen sie steckte? Egal, wenigstens hatte sie ihn auserwählt, ihr da rauszuhelfen.
    Keine fünf Minuten hatte er gebraucht, um den Treffpunkt zu erreichen. Weit und breit kein Mensch. Im Cash Center brannte Licht. Er führte den Magnetstreifen seiner EC -Karte durch den Leseschlitz in der Tür und trat ein.
    Es roch nach abgestandenem Zigarettenrauch, am Boden lag ein Starbucks-Becher. Aber die vier Automaten waren alle in Betrieb. Mit seiner EC - und einer seiner Kreditkarten holte er die fünftausend Franken aus den Maschinen. In großen Noten; in dieser Gegend hielt man nichts von kleinen Stückelungen.
    Er steckte das Geld in die Manteltasche, verließ den stickigen Raum und wartete.
    Ein Auto fuhr heran und stoppte am Trottoirrand. Weynfeldt ging darauf zu. Ein Mann in mittleren Jahren stieg aus, musterte Adrian misstrauisch, nahm seine Karte aus dem Portemonnaie und öffnete die Tür des Cash Centers. Noch bevor er wieder herausgekommen war, näherte sich langsam ein Audi älteren Baujahrs. Er blieb stehen und blendete die Scheinwerfer zweimal auf und ab. Adrian ging auf das Fahrzeug zu.
    Am Steuer saß ein Mann um die vierzig mit kurzem graumelierten Haar und Stirnglatze. Er hatte das Fenster heruntergelassen. Im Halbdunkel des Rücksitzes machte Weynfeldt eine Frau aus. Sie nickte ihm kaum merklich zu. Es war Lorena.
    »Haben Sie das Geld?«, fragte der Mann zur Begrüßung.
    Weynfeldt beachtete ihn nicht. Er ging zur hinteren Wagentür und wollte sie öffnen. Sie war verschlossen.
    Der Mann stieg angriffslustig aus und pflanzte sich vor ihm auf. Er war etwas kleiner, aber voller Mordlust. »Ob du das Geld hast!«
    Weynfeldt nahm es aus der Manteltasche und hielt ihm die Scheine hin. Der Mann zählte sie rasch und geübt. Adrian beobachtete ihn dabei. Einen Moment lang kam es ihm vor, als kenne er ihn. Aber er verwarf den Gedanken wieder. Solche Leute kannte er nicht.
    Der Mann steckte das Geld in die Tasche und stieg in den Wagen. Weynfeldt hörte das Klicken der Kindersicherung. Gleich darauf stieg Lorena aus. Kaum hatte sie die Tür zugeschlagen, war der Wagen auch schon mit quietschenden Reifen losgebraust.
    Da standen sie nun, föhnzerzaust, und warteten, bis der andere etwas sagen würde. Lorena zuckte mit den Schultern, Adrian tat es ihr nach.
    »Keine Fragen?« Sie war es, die als Erste sprach.
    »Keine.«
    »Jetzt könnte ich etwas zu trinken gebrauchen.«
    »La Rivière?«
    »Sind wir hier nicht näher bei dir?«
    Das stimmte nicht. Aber Weynfeldt nickte, und sie machten sich auf den Weg. Nach ein paar Schritten hakte sie sich bei ihm unter. Wie damals nach dem Ladendiebstahl.
    Der Föhn entwickelte sich zu einem Föhnsturm. Die Straßenbeleuchtung über den Tramoberleitungen schaukelte, und gar nicht weit weg war der splitternde Aufschlag von etwas zu hören, das sich der Wind von einer Zinne oder einem Fenstersims geholt hatte.
    Sie beschleunigten ihren Schritt und rafften die Mäntel unter dem Kinn zusammen.
    »Wie ist es dir ergangen seit dem letzten Mal?«, erkundigte sich Weynfeldt.
    »Ich war auf Mallorca.«
    »Ist es da nicht schrecklich um diese Jahreszeit?«
    »Nein, war ganz angenehm. Kaum Touristen. Warst du schon mal?«
    »Lange her. Zwanzig Jahre.«
    »Und?«
    »Wir blieben nur eine Nacht.«
    »Warum?«
    »Wir waren mit dem Schiff unterwegs.«
    »Einer Jacht?«
    »War schon ein größeres Schiff.«
    »Deines?«
    Weynfeldt lachte. »Nein, von Freunden. Freunden meiner Eltern.«
    »Schade. Eine Jacht wäre nicht schlecht.«
    »Zu viele Leute auf zu engem Raum, wenn du mich fragst. Und du kannst nicht abhauen. Nein, nein, die Jacht wird allgemein überschätzt.«
    Jetzt lachte

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