Der letzte Weynfeldt (German Edition)
keiner.«
»Siehst du.«
»Er ist ein Geldeintreiber.«
»Auch nicht schlecht.«
Lorena lachte, und Adrian stimmte ein. »Auch nicht schlecht«, wiederholte sie und vergoss vor Lachen etwas Kaffee auf das Federbett.
Als sie sich beruhigt hatte, fragte sie: »Willst du nicht wissen, weshalb ich einem Geldeintreiber Geld schulde?«
»Schuldete.«
»Schön wär’s.«
»Schuldest du ihm noch mehr?«
»Endlich eine Frage.«
»Und?«
»Hundertzwanzig.«
»Auch nicht schlecht.«
26
Rolf Strasser kam wie immer mit Verspätung zum Donnerstagstisch. Dass Weynfeldt nicht anwesend war, fiel ihm erst auf, als er die Weinflasche suchte und nur eine fast leere Halbliterkaraffe mit Hauswein fand. »Kommt Adrian heute nicht?«, fragte er Luc Neri, der stumm und übermüdet neben ihm saß.
Neri hob die Schultern und ließ sie fallen, als hätte er sie stundenlang hochgestemmt.
Die Runde studierte die Speisekarte länger als sonst, und manch einer schielte ab und zu zum Eingang. Als Weynfeldt endlich eintraf, hatten sie alle schon bestellt. Auf die Bistecca alla Fiorentina zu neunundvierzig Franken, sonst der Renner am Donnerstagstisch, hatte diesmal niemand Appetit.
Weynfeldt kam in Begleitung einer Rothaarigen. Viel jünger als er und nicht so sein Stil. Strasser hatte Weynfeldt zwar noch nie in weiblicher Begleitung gesehen, aber wenn er ihn sich mit einer Freundin vorstellen müsste, wäre sie mehr der Typ höhere Tochter. Die hier war das nicht. Sie sah gut aus, das schon. Aber auf eine etwas gewöhnlichere Art. Obwohl sie teuer gekleidet war. Designerkleid. Aber als Freundin von Weynfeldt konnte man sich schon Designerklamotten leisten.
Noch nie wurde Weynfeldt an diesem Tisch so sehr beachtet wie jetzt mit dieser Frau. Alle beobachteten, wie er sich zu ihr verhielt. Er selbst würde sagen: verknallt.
Lorena – als Lorena hatte Adrian sie jedem Einzelnen zeremoniell vorgestellt – kam neben ihm zu sitzen. An einem der beiden Extragedecke, die Adrian so lange vergeblich für unerwartete Gäste bereitgehalten hatte. Jetzt hatte es sich doch gelohnt. Sie bestellte die Bistecca alla Fiorentina, und Weynfeldt schloss sich an. Das erste Mal, dass der nicht seine Insalata mista und Scaloppine al limone mit Risotto bestellte. Eindeutig verknallt.
Sie war lustig. Im Gegensatz zu Weynfeldt, der eher langweilig war. Ende dreißig. Viel erlebt. Gute Figur. Zwei, drei Kilo mehr könnten nicht schaden. Etwas affektiert, aber verständlich bei der ersten Begegnung mit Adrians Freunden. Als »meine Freunde« hatte er sie alle vorgestellt.
»Sie sind also Künstler«, stellte sie fest. Als »mein Freund, der Künstler Rolf Strasser« hatte ihn Weynfeldt bezeichnet.
»Das weiß ich nicht so genau. Mir gefällt Kunstmaler besser. Es bezeichnet mehr eine Tätigkeit als eine Eigenschaft. Wie Kunstturner oder Kunstfurzer.«
Lorena warf Adrian einen Blick zu.
»Rolf ist beides«, mischte sich Adrian ein, »Kunstmaler und Künstler.«
Es war das erste Mal, dass der ihn als Künstler bezeichnete. Heute war Weynfeldts Tag der ersten Male. Wie gesagt: verknallt.
Dann stellte sie die dumme Frage: »Wie malen Sie denn so?«, und Strasser war drauf und dran, sein Urteil über sie zu revidieren.
»Wie Sie wollen«, antwortete er. Und sie rettete sich mit: »Also doch eher Kunstmaler.«
Was ihm am besten gefiel an ihr: Sie störte sich nicht an seiner Kettenraucherei, nahm sogar ungefragt eine seiner Chesterfields und hielt auch beim Wein schön mit.
Es war schon gegen drei Uhr, als sie die Runde aufhoben. Weynfeldt, auch dies ein erstes Mal, war bis zum Schluss geblieben.
Nachher, im Südflügel, wohin Strasser mit Casutt noch auf einen Grappa ging, waren sie sich einig: Diese Lorena war eine Bereicherung für den Donnerstagstisch.
27
»Und hier so scheen«, sagte Tereza zum wiederholten Male. Die Kundin schwieg, zog nur hörbar die Luft ein, wenn die Kosmetikerin mit einem Ruck einen weiteren Wachsstreifen abriss.
Lorena lag auf der Kosmetikliege mit, wie Tereza gerne betonte, vier Motoren, elektrisch absenkbaren Rollen und Fußschalter für hygienisches Arbeiten. Sie trug ein Stirnband, das ihr die Haare aus dem Gesicht hielt, und die Gesichtsmaske »Luxusní«, nach einem streng gehüteten Geheimrezept von Tereza selbst zubereitet. Hundertvierzig Franken, allein die Maske.
Aber Lorena hatte gerade ein wenig Geld und das Bedürfnis, mit sich ins Reine zu kommen. Das gelang ihr, keine Ahnung, warum, am besten im
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