Der letzte Weynfeldt (German Edition)
der Hand. Pedroni hatte gar nicht bemerkt, dass es wieder zu regnen begonnen hatte.
Während Weynfeldt den Mantel aufknöpfte, nahm Pedroni einen der zwei Bügel aus der Garderobe und streckte die Hand nach Weynfeldts Mantel aus. Der schüttelte den Kopf. »Ich behalte ihn an, ich habe nicht viel Zeit. Wenn ich um den Schuldbrief bitten dürfte.«
»Wenn ich erst um das Geld bitten dürfte«, erwiderte Pedroni.
Und tatsächlich: Der Mann machte keinerlei Anstalten, über die Reihenfolge der Übergabe zu diskutieren. Er griff in die Innentasche seines Mantels – er trug hundertzwanzig Riesen in der Innentasche seines Mantels! –, nahm das Geld heraus und legte es auf das Tischchen mitten in das Prospektmaterial.
Pedroni setzte sich auf die Schlafcouch. Es waren neue Noten in den Originalbanderolen. Ein Hunderterpaket Tausender und zwei Hunderterpakete Hunderter. Pedroni riss die Banderolen auf und zählte ohne Hast. Weynfeldt setzte sich nicht. Er stand im Mantel am Fenster und sah in den grauen Regennachmittag hinaus. Erst als Pedroni vernehmlich »Stimmt« sagte, drehte er sich um.
»Wenn ich jetzt um den Schuldschein bitten darf.«
Wenn ihn das Arschloch dabei nicht so arrogant angeblickt hätte, wäre er zu seiner Mappe gegangen und hätte den Schuldschein geholt. Aber so sagte er: »Der wird Ihnen in den nächsten Tagen zugestellt.«
Weynfeldt errötete. Sagte nichts, stand in seinem Fünftausendfrankenmantel einfach da und errötete.
Pedroni schüttelte den Kopf, stand auf und ging zur Mappe. »Kleiner Scherz«, grinste er und überreichte ihm das Dokument.
Und jetzt kam das Beste: Weynfeldt fasste in seine Hosentasche, brachte ein kleines Lederetui zum Vorschein, öffnete es, entnahm ihm eine Lupe, ging ans Fenster und untersuchte das Papier.
»Glauben Sie, es ist gefälscht?«, fragte Pedroni ungläubig.
Weynfeldt gab keine Antwort.
»Sie hat Ihnen bestimmt bestätigt, dass sie mir das Geld schuldet.«
Weynfeldt steckte die Lupe weg, nickte, faltete das Blatt und ließ es in der Innentasche verschwinden. Diesmal in der seines Jacketts. »In Ordnung«, sagte er.
»Wie – in Ordnung?«
»Es ist das Original.«
»Ach, davon verstehen Sie etwas?«
»Ja.« Er ging an ihm vorbei zur Tür. Bevor er sie öffnete, wandte er sich noch einmal um. »In Zukunft lassen Sie Frau« – er zögerte – »Steiner in Ruhe, ich hoffe, das ist klar.«
»Sonst?«
»Das werden Sie dann sehen.«
»Sonst werden Sie rot?«
Weynfeldt suchte nach Worten. Dann sagte er leise, aber so, dass es Pedroni verstehen konnte: »Oder Sie.«
29
Lorena war nicht zum ersten Mal im Grand Hotel Imperial, aber an das erste Mal dachte sie nicht gerne zurück.
Sie wurde vom sehr diskret livrierten Türsteher eingelassen und ging direkt in die Bar. Sie hatte sich mit Adrians Freund, dem Kunstmaler Rolf Strasser, hier verabredet, unter dem Vorwand, sich von ihm, dem Kenner, durch die Vorbesichtigung der Auktion führen zu lassen. Adrian habe keine Zeit.
Das stimmte zwar nur annähernd: Sie hatte Adrian nicht gefragt, sie hatte ihn nur informiert, dass sie gerne mit Rolf zur Vorbesichtigung gehen würde, weil er ja bestimmt keine Zeit habe. Adrian hatte sie sehr ermutigt und ihr Rolfs Nummer gegeben.
Der wahre Grund, weshalb sie mit Strasser zur Besichtigung gehen wollte, war natürlich der Vallotton. Adrian hatte sie praktisch darauf gestoßen, dass er es war, der die Kopie angefertigt hatte. Und folglich der Einzige außer Adrian, der wusste, ob es der echte war, der hier dem Publikum vorgestellt wurde.
Strasser war nicht in der Bar. Sie bestellte ein Glas Champagner und wartete genau fünfzehn Minuten, das Maximum, das sie Männern als Verspätung einräumte.
Dann folgte sie den Schildern mit dem Auktionsplakat durch die Lobby zum großen Ballsaal.
Es war vier Uhr nachmittags, in den Sesseln saßen Hotelgäste und Kunstinteressierte bei Kaffee und Kuchen, eine Pianistin spielte Teemusik.
Das Auktionsplakat zeigte den ihr inzwischen so vertrauten Rückenakt vor dem Salamander.
Beim Eingang zum Ballsaal saß an einem Tisch voller Kataloge eine sehr dicke jüngere blonde Frau mit Pagenschnitt und losem schwarzen Kleid. Ihr gegenüber stand ein brutal aussehender Typ in der Uniform eines privaten Sicherheitsdienstes. Lorena dachte erst, sie müsse Eintrittsgeld bezahlen, und griff in ihre Handtasche. Aber die Dicke nickte ihr nur freundlich zu und wünschte guten Tag.
Lorena betrat den Saal. Die Vorhänge waren
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