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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Salon Perfektní bei Tereza.
    Der Kosmetiksalon bestand aus einem einzigen Raum, der durch ein System aus goldverbrämten Brokatvorhängen in einen Warteraum und drei Behandlungskabinen eingeteilt war. Es roch nach Parfums, Nagellackentferner und warmem Wachs. Über eine kleine Anlage liefen die auf »Wiederholung« geschalteten CD s mit Entspannungsmusik, für deren Nachschub Terezas Tochter sorgte.
    Trotz des Musikteppichs verstand man jedes Wort, das im Salon Perfektní gesprochen wurde. Das waren oft Intimitäten von Kundinnen, die sich so ungezwungen äußerten, als befänden sie sich in schalldichten Räumen. Aber wenn diese schwiegen, wie heute die in der Nebenkabine, unterhielt sie Tereza mit Geschichten über ihre Tochter, die auf Fuerteventura mit einem Mann aus der Reisebranche lebte, oder über die Bauschäden ihrer Dreizimmerwohnung, die sie auf Fuerteventura gekauft hatte. Im Moment war es die Wohnung, in der sie soeben zwei verregnete Wochen verbracht hatte. »Und hier so scheen.«
    Tereza mochte zwischen fünfzig und sechzig sein. Seit 1968, dem Prager Frühling, lebte sie in der Schweiz. Ihr Gesicht war faltenlos, was weniger auf ihren Beruf zurückzuführen war als auf ihre Körperfülle. Ihre Brauen waren epiliert und an anderer Stelle mit schwarzer Farbe nachgezogen. Und zwar so hochgewölbt, dass ihr sonst regloses Gesicht den Ausdruck ewigen Erstaunens trug. Lorena hatte sie bei einem Katalog-Shooting kennengelernt. Tereza war dort kurzfristig für die Maske eingesprungen und hatte sie als Einzige manchmal zum Lachen gebracht. Seither war Lorena Stammkundin bei ihr. Das hieß, wenn sie es sich leisten konnte.
    Dass sie es sich momentan leisten konnte, lag an den zweieinhalbtausend, ihrem Anteil an den fünf, die Pedroni dem armen Adrian abgeknöpft hatte. Die Aktion war als Test gedacht gewesen. Als Test und zur Einführung von Pedroni als Mister X. Für spätere, größere Aktionen.
    Es hatte ihr Spaß gemacht. Die Idee war von ihr gewesen, auch der Ort der Übergabe – Cash Center Ecke Poststeg und City-Straße, das klang ziemlich professionell. Sie war sich sehr abgebrüht vorgekommen – Lorena, der eiskalte Engel.
    Und auch danach, bei ihm zu Hause, hatte sie die Sache durchgezogen. Hatte das Herz an der Garderobe gelassen und war mit ihm ins Bett gestiegen.
    Am nächsten Morgen musste sie sich ein paarmal in Erinnerung rufen, dass er nichts weiter war als ein Siegelringträger, der sie ins Bett und dann loskriegen wollte. Wenn auch ein etwas netterer als üblich.
    Und wie um sich zu beweisen, dass sich das Herz immer noch an der Garderobe befand, begann sie zu improvisieren. Hundertzwanzigtausend hatte sie aufs Geratewohl ins Spiel gebracht. Ohne sich mit Pedroni abzusprechen. Und Weynfeldt hatte gelacht. Was hatte er gesagt? »Auch nicht schlecht.« Mehr nicht. Einfach »auch nicht schlecht«. Und gelacht.
    Leicht verdient, hatte sie gedacht, und das andere Projekt, das mit dem alten Mann, sah auch vielversprechend aus.
    Aber dann hatte Weynfeldt sie zum Mittagessen mitgenommen und seinen Freunden vorgestellt. Das war nun definitiv nicht mehr Siegelringträger. Richtig angenehm war es gewesen. Ein Essen mit lauter netten Leuten. Und sie offiziell wie eine von ihnen. Mehr noch: wie die von ihm.
    Also doch Plan C? Jedenfalls, als sie später mit Pedroni die Lage besprach und ihm von den Hundertzwanzig erzählte und sich mit ihm die Sache mit dem Schuldbrief ausdachte, kam sie sich fast etwas schäbig vor. Sie hätte sich besser gefühlt, wenn sie mit Adrian zusammengesessen und Pedroni verarscht hätte. Jedenfalls, als er sie am Ende des geschäftlichen Teils fragte: »Your place or my place?«, hatte sie geantwortet: »Sowohl als auch.«
    Die Maske begann zu spannen, und das Gespräch jenseits des dünnen Vorhangs drang wieder in ihr Bewusstsein. »…nur Elektro-Efelchen. Wer denkt denn ans Heezen in Fuerteventura.«
    Passierte ihr das wieder? Herz sabotiert Verstand?
    Eine Bewegung des Vorhangs hinter ihr und dann Terezas Stimme: »Jetzt dringt die Scheenheit in die Poren, Schatz.«
    Lorena nickte, vorsichtig wegen der erstarrenden Maske. »Und vertreibt hoffentlich die Bleedheit.«

28
     
    Theo L. Pedroni lag angekleidet auf dem Doppelbett von Zimmer 212 des Belotel und wartete auf Weynfeldt.
    Sein Jackett hing am Bügel in der schmalen Garderobe zwischen dem Schrank aus Holzimitation und der Tür zum ocker und beige gefliesten Bad. Die 212 galt als Junior Suite und besaß daher eine

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